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■ Ein Traditionssozialist modernisiert sich

Als Lionel Jospin noch nichts weiter als Vorsitzender der Sozialistischen Partei Frankreichs war, versprach er den belgischen Renault-Arbeitern auf einer Demo in Brüssel, im Falle seiner Wahl werde er die Schließung ihrer Fabrik in Vilvoorde verhindern. Die Macht dazu hätte Jospin gehabt, als er wenige Wochen später, im Juni 1997 sein neues Amt antrat – Frankreich ist Renault-Mehrheitsaktionär.

Allein, als Premier war Jospin der Wille abhanden gekommen. Er sorgte bloß für einen Sozialplan, das Werk wurde geschlossen. Danach warf er noch eine Reihe andere radikale Vorhaben über Bord, die ihm einst den immer noch nützlichen Ruf verschafft hatten, ein „Traditionssozialist“ zu sein. Inzwischen ist der Premier „für ein modernes Frankreich“ und deswegen „für die Marktwirtschaft“. Als vor ein paar Tagen der Reifenhersteller Michelin, dem der französische Staat in den letzten anderthalb Jahrzehnten etwa 3 Milliarden Mark gezahlt hat, ankündigte, er habe seinen Reingewinn um 20 Prozent erhöht, und werde, wenn das so weitergehe, in den nächsten Jahren 7.500 Arbeitsplätze vernichten, mischte sich Jospin erst gar nicht ein. Eine Regierung, so erklärte er seinen Landsleuten am Montag im Fernsehen, könne da nichts machen. Stattdessen solle sich die Zivilgesellschaft „mobilisieren“.

So viel staatliche Ohnmacht hätte der Brüsseler Demonstrant vor 28 Monaten für unmöglich erklärt. Aber in der Zwischenzeit haben sich eben auch die persönlichen Verhältnisse von Jospin radikal geändert: Damals wollte er bloß das „Volk der Linken“ erobern, und das verlangte eine Rhetorik, die mit dem Wörtchen „sozial“ gespickt sein musste. Heute schickt sich Jospin an, die politische Mitte zu erobern, von der er sich 2002 zum Präsidenten wählen lassen will. Für die hat Jospin schon einen anderen Slogan: „Das moderne Frankreich“. Dorothea Hahn

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