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Einschmeichelndes All-Star-Kreuzüber

■ "Universal Gonzalez" präsentieren sich und ihr Label "DJ Melanie"

Die Idee zum Ende unseres Jahrzehnts eine kleine Schallplattenfirma aufzumachen, klingt schon etwas verwegen. Im Krieg der Formate, Dateien, CD-Brenner und MP3s und in Zeiten, wo eh zu wenig Geld für Musik übrig bleibt, erscheint eine Labelgründung so anachronistisch wie das Wort Schallplatte selbst.

All das wusste Myriam Brüger, als sie letztes Jahr ihr Kleinstlabel DJ Melanie aus der Taufe hob. Vorher arbeitete die junge Hamburgerin einige Jahre in einer mittelständischen Plattenschmiede, danach als freie Promoterin für größere Firmen. Die Schwierigkeiten mit dem eigenen guten Geschmack Platten zu verkaufen, geschweige denn Geld damit zu verdienen, waren ihr daher bestens vertraut. Doch seit man sie um die Realisation eines Benefizsamplers für das kränkelnde Diskursblatt Die Beute bat, gefällt ihr die Idee einer eigenen Firma. „Der Druck ist nicht mehr so groß, denn jetzt kann ich selbst bestimmen, was wichtig ist und was nicht.“ In eine Bürogemeinschaft im Schanzenviertel findet sich der Schreibtisch von DJ Melanie. Ein im wahren Sinne merkwürdiger Name, aber eigentlich auch ein wenig zu niedlich. „Das mit dem Niedlichen stimmt, geht aber in Ordnung“, meint Myriam Brüger kurz und verweist viel lieber auf das eigene Firmenmotto: „Was DJ Melanie auflegt, das bringt sie auch raus.“

Ein kluges Motto. Denn wie könnte es anders sein, legt Brüger selbst gelegentlich in örtlichen Clubs und Bars Platten auf. Eine Tätigkeit, die, wie sie mit Nachdruck versichert, weit weniger ist als die Arbeit eines richtigen DJs. Was aber legt nun DJ Melanie auf? Dumme Frage: Alles, was Myriam gefällt und das liegt auf einer Linie zwischen House, Gitarre und Elektronik. „Was diese Mischung anbelangt, ist Berlin zur Zeit da etwas interessanter als Hamburg“, denkt Brüger und verweist da gerne auf das Jeans Team. Eine junge Band mit einem ebenso jungen Trash-Popverständnis, die jetzt unbedingt bei DJ Melanie ihren ersten Longplayer veröffentlichen will.

Wie auch Jacques Palminger. Der „frankophile Sohn jüdischer Kommunisten“, wie das Info vollmundig schwärmt, geht nächstes Jahr an den Start. Vorher noch tritt er heute in der Schilleroper als Schirmherr für sein eigenes kleines All-Star-Projekt auf. Univeral González ist die Band von Sängerin Claudia Gonzales, Reverend Ch. D., Heiner Ebber von Dackelblut und Felix Kubin. Gemeinsam und with a little help from some friends wie DJ Koze und Schorsch Kamerun covert man „Lovemachine“ (von unseren Deutsch-Disco-Helden der 70-er Jahre Supermax) und erweckt im Vorbeigehen den Psychic TV-Klassiker „The Orchids“ zu neuem Leben. Eine Mischung aus entspanntem House, Chansons und Elektrogefriemel, dass trotz allem künstlerischen Kreuzüber der Beteiligten eher einschmeichelt als verwirrt. Im Grunde genau das, was Myriam so gerne mal auflegt. Michael Hess

heute, Schilleroper, 22.30 Uhr

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