: Pfennigfuchsen gefährdet Windkraft
■ Alternative Stromerzeuger warten auf geändertes Strom-Einspeisungsgesetz/ Sinkende Strompreise gefährden Einnahmen
Der Fall der Strompreise ist tödlich für die Entwicklung regenerativer Energien und ein Schlag gegen jedes Energieeinsparungsprogramm“. Der Mann, der das sagt, ist kein militanter Umweltschützer sondern hart kalkulierender Geschäftsmann. Klaus van Ahrens plant und baut den größten Windpark Europas im Wybelsumer Polder bei Emden. In Bremen droht das Ahrenssche Menetekel schon Wirklichkeit zu werden. Denn nach Auffassung des Bremer Wirtschaftssenators soll die Durchführung des Bremer Wind-Energieprogrammes, 86 neue Generatoren bis zum Jahr 2005, gekippt werden (die taz berichtete) - wegen Unrentabilität.
Erstaunlich ruhig über die Entwicklung am Windenergie-Markt bleibt Carlo Reker von der Auricher Firma Enercon. Enercon ist der größte Windmühlenhersteller in Deutschland. „Banken und Investoren reagieren schon etwas vorsichtiger“, so Reker. Der Knackpunkt: Durch den rasanten Fall der Strompreise drohen sich alternative Energienanlagen nicht mehr zu rentieren. Dafür sind zwei Gründe ausschlaggebend. Erstens: Strom aus alternativer Energieerzeugung wird in die Stromnetze der großen Energieunternehmen eingespeist. Dafür müssen die Stromkonzerne zahlen. Derzeit erhalten die Windmüller 90 Prozent des Durchschnittspreises, den die Ernergieerzeuger vor jeweils zwei Jahren erzielten. Dies regelt das Stromeinspeisungsgesetz. Danach bekam ein Erzeuger von Strom aus Windkraft von EWE, Preussen Elektra oder RWE vor einem Jahr 16,25 Pfennige pro Kilowattstunde. Für dieses Jahr wurden für eine Kilowattstunde 16,1 Pfennige bezahlt. Sinkt jetzt der Strompreis weiter, den die großen Energieunternehmen erzielen, dann sinkt auch der Preis, den sie den Windmüllern für Windstrom zahlen. Zweitens: Das Stromeinspeisungsgesetz sieht weiterhin vor, dass die großen Energiekonzerne nicht mehr allen Windstrom aufkaufen müssen. Das Gesetz schreibt vor, dass der lokale Energieerzeuger, im Bremen also die Stadtwerke, nur noch fünf Prozent alternativen Strom abnehmen müssen. Der überregionale Energieerzeuger, die Preussen Elektra oder EWE, müssen noch einmal fünf Prozent einspeisen. Diese Deckelung ist zur Zeit noch nicht umgesetzt.
„Die Deckelung darf nicht kommen“, erklärt Klaus van Ahrens vom Unternehmen Windpark Wybelsumer Polder in Emden. Er hat für seinen Windpark, mit dessen Bau jetzt begonnen wird, vorsichtshalbler mit einem niedrigeren Einspeisungspreis kalkuliert als die EWE ihm heute tatsächlich bezahlen würde. „Bei einigen Windkraftstandorten wird es eng werden“, weiss Stefan Kohler von der niedersächsischen Energieagentur in Hannover. Kohler plant und organisiert alternative Energierzeugung vom Biomasse-Heizkraftwerk bis zum Windpark. „Wenn wir eine Rendite von 15 Prozent ansetzen, dann muss eine Windanlage 2.000 von 8.200 möglichen Vollerzeugerstunden im Jahr produzieren. Unter 2.000 Stunden ist dann die Leidensfähigkeit des Investors entscheidend für die Zukunft seiner Windmühle“, rechnet Kohler vor. Für Windparkstandorte an der Küste ist diese Auslastung immer gegeben. Binnenstandorte wie Bremen könnten nach Kohlers Rechnung aber schon Schwierigkeiten bekommen.
Wie sich die Zeiten ändern! Diskutierte man vor einiger Zeit noch den ökologischen Nutzen hochgerüsteter Windenergieparks, so geht es jetzt schlicht und ergreifend um das ökonomische Überleben von Wind-, Solar-, Wasser- und Biomassestrom. „Die Politik ist gefordert, neue gesetzliche Grundlagen zur Sicherung der Entwicklung alternativer Energieformen zu schaffen“, meint Bernhard Lange, Energieexperte vom BUND in Bremen. Und die Politik wird dies auch tun. Im Herbst steht die Novellierung des Stromeinspeisegesetzes an. Es liegen verschiedene Modelle vor, wie Preissicherheit für alternative Energieerzeuger erreicht werden kann. Eine Möglichkeit ist, eine Produktionsmenge in Beziehung zur Rotorfläche zu setzen. Etwa 13.000 Megawattstunden pro Quadratmeter. Für diese Leistung soll ein Abnahmepreis von 17 Pfennig pro Kilowattstunde garantiert werden. Ist diese Produktionsleistung erbracht, bekommen die Windmüller weniger Geld.
Zur Zeit werden in Bremen Windkraftanlagen von der Umweltbehörde gefördert. Die Behörde sieht noch keinen Anlass, ihre Förderkriterien zu ändern. „Wir haben feste Verträge. Und die Entwicklung der Strompreise befindet sich noch nicht in einem Stadium, dass wir über unsere Förderungskriterien nachdenken müssten“, erklärt Holger Bruns, Sprecher der Umweltsenatorin.
Thomas Schumacher
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