: Die Sterne stehen äußerst günstig
Mit 21 träumt Michel Trabant weiter von Weltmeister Oscar de la Hoya – doch heute Abend muss er sich erst mal mit einem Boxer wie Bob Elkins herumschlagen ■ Von Rainer Schäfer
Berlin (taz) – Seine Bilanz kann sich sehen lassen: 28 Siege in 28 Kämpfen, zwölf davon durch K.o. Über die sportliche Qualität der Faustduelle sagt die Statistik nichts aus. Was sie belegt: Probleme im Ring kannte Michel Trabant bislang kaum. Der 21-Jährige, seit November 1997 Deutscher Meister im Weltergewicht, darf sich seit seinem Punktsieg gegen Eric Jakubowski (USA) im August vergangenen Jahres auch Intercontinental-Meister im ominösen Boxverband WBO nennen. Einen Zuwachs an Popularität hat der Titel nicht bewirkt: Das öffentliche Interesse gilt vor allem dem Schwergewicht. „Die ganze Welt spricht von der Königsklasse“, bestätigt Trabants Trainer Werner Papke. Von seinem Vorzeigeboxer „reden momentan nur Experten“, auch vor der Titelverteidigung gegen den Amerikaner Bob Elkins heute Abend in Stuttgart.
Ungelegen kommt Papke das Desinteresse nicht. „So können wir wenigstens in Ruhe weiterarbeiten.“ Mit der Ruhe war es schlagartig vorbei, als der damals 16jährige Schulabbrecher Trabant 1995 beim Hamburger Boxunternehmen Universum einen Profivertrag unterschrieb. Universum hatte den jüngsten Berufsboxer Europas verpflichtet. Unbequeme Fragen wurden gestellt: Was Kinder denn beim Boxen zu suchen hätten? Der 67-jährige Trainer bleibt bei der Antwort, die er schon vor fünf Jahren gab: „Ich würde keinen Boxer mit 16 zum Profi machen. Außer Michel.“
Als Werner Papke das „Ausnahmetalent“ bei einem Schülervergleichskampf in Ostberlin das erste Mal boxen sah, steckte er ihm spontan einen 20-Mark-Schein zu. „Ich hatte noch nie einen so abgebrühten Jungen gesehen.“ Während andere Boxer schon 50 Prozent ihrer Nervenkraft in der Kabine ließen, agiere Michel im Ring „eiskalt, mit Killerinstinkt“. Seit nunmehr zehn Jahren baut der gewiefte Trainer-Methusalem („Meine ganze Erfahrung steckt in dem Jungen drin“) Trabant in seinem Berliner Boxgym auf: Schritt für Schritt, in Richtung auf das große Ziel. „Nächstes Jahr kann er um die Weltmeisterschaft kämpfen.“
Auch bei Universum ist man „sehr zufrieden“, so Geschäftsführer Peter Hanraths. Trabant, sagt Hanraths, sei „vom Bewegungsablauf eines der größten Talente“, schwer ausrechenbar, mit einem großen Repertoire an Schlagvarianten. „Er hat Boxen im Blut. Es deutet viel darauf hin, dass Michel ein ganz Großer werden kann.“ Was ihm dazu immer noch fehle, sei die Athletik. Vier Stunden täglich trainiert der 1,72 Meter und 65 Kilogramm schwere Trabant und versucht im Kraftraum, Muskelmasse auf den immer noch zu schmächtigen Körper zu bringen. Die Voraussetzung, um aufzusteigen in die Extraklasse der Weltergewichtler, wo sich Oscar de la Hoya, der „beste Boxer der Welt“, befindet. Dort wollte Trabant eigentlich längst angekommen sein.
„Mit 16 erzählt man viel“, grinst er. Mit einer Narbe über dem Auge und dem Bartansatz, der sich in HipHop-Manier über die Mundwinkel zieht, wirkt Michel Trabant beinahe erwachsen. Die Unsicherheit des Teenagers, der zu früh durch Blitzlichtgewitter geschickt wird, ist Selbstbewusstsein gewichen. Gewachsen an der Seite seiner Frau Anja, einer freiberuflichen Astrologin und Wahrsagerin, mit der Trabant im Mai zum Standesamt schritt. Vor einem Jahr ist „Trabi“ bei seinem „Vertrauten“ Werner Papke aus- und mit der sieben Jahre älteren Lebensgefährtin in ein Haus am Berliner Müggelsee eingezogen. Vor der Tür steht ein BMW, im Garten wurde ein Basketballplatz angelegt. Auf dem Herd braten gerne die geliebten Fischstäbchen. „Wenn man nur boxt“, findet Trabant, „fehlt doch einiges.“ Vor allem das andere Geschlecht, wie Trainer Papke mit Sorge beobachten musste, als Michel kurzzeitig „durch die Diskotheken zog“. Auf der Suche nach einer wie Claudia Schiffer, die mit ihm Tisch und Bett teilen sollte. Die Triebabfuhr ist geregelt, die Schwärmerei für die Schiffer hat „natürlich nachgelassen“, wie Trabant mit Blick auf seine im fünften Monat schwangere Frau feststellt.
Michels Auszug hat Papke spontan zugestimmt, zumal die häusliche Idylle der sportlichen Leistung nicht abträglich sei. „Die Anja nimmt mir viel von der Arbeit ab, Michel aufs Leben vorzubereiten.“ Trabant, der aus schwierigen Verhältnissen kommt, werden seitdem günstigere Sozialprognosen ausgestellt. Seine Welt ist größer geworden, nicht mehr begrenzt durch die Absperrungen des Boxrings. Auch wenn der noch einige Zeit absolute Priorität besitzt. Die Ehefrau hat ihrem Boxer prophezeit, dass er auf alle Fälle gegen den smarten und medienkompatiblen Oscar de la Hoya kämpfen werde. Eines lässt sich ohne Deutung der Gestirnenkonstellation sagen: Erst einmal muss er Bob Elkins schlagen. Dann ist Trabant die Nummer eins der Weltergewichtler – in der WBO.
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