■ Lebenswelten
: Grüne Heimat

Nun haben wir es schwarz auf weiß: Die multikulturelle Gesellschaft ist auch in deutsche Gartenkolonien eingedrungen. MigrantInnen haben sich unserer bescheidensten Lebensstilmuster bemächtigt. Klammheimlich, wie das Referat für Interkulturelle Angelegenheiten an der Evangelischen Fachhochschule Hannover bestätigt. Denn, „die Gärten von Deutschen und Migranten sind auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden“. Allenfalls pflanzen die Migranten mehr Gemüse zur Eigenversorgung, was kleinste Abweichungen in der Gartenarchitektur mit sich bringt. Ansonsten sind die Beete genauso akkurat, die Zäune genauso hoch wie bei den deutschen Nachbarn: „Die Anpassung der Gartenvereinsmitglieder an die Vereinsstatuten“, so die Studie, „ist nicht abhängig von ihrer Herkunft oder Nationalität.“

Wer hätte das gedacht? Auch ein Türke aus der Weite Anatoliens kann sich auf die Quadratur der kleinen Scholle beschränken. Die gärtelnden MigrantInnen – meistens aus Russland, Kasachstan und der Türkei – haben allenfalls Vorliebe für andere Pflanzen: Knoblauch statt Stiefmütterchen, Pfefferminze statt Pfingstrosen. Und sie nutzen das Stückchen Grün stärker zum geselligen Beisammensein. Ein Konfliktpotential, zugegeben. Nicht gerade förderlich für's friedliche Zusammenleben mit ruhebedürftigen deutschen Nachbarn. Doch glaubt man der Studie, ist dies der einzige Reibungspunkt. Ansonsten tauscht man sich freundlichst über Zäune hinweg zum Thema Gartenpflege aus.

Was zeigen uns Studien wie diese? Die Sehnsucht des Menschen nach einem kleinen Stückchen Natur ist eine anthropologische Grundkonstante? Die verzeifelte Suche der Sozialforschung nach neuen Themen? Oder sie sagt uns schlicht die Integration ist vollbracht. Migranten haben sich auch in der deutschesten aller deutschen Lebenswelten, der Gartenkolonie heimisch gemacht. In einer Lebenswelt, die bisweilen ideologisch verbrämt, der Kleingeistigkeit, Engstirnigkeit und Xenophobie bezichtigt wurde, wo doch jeder nur von einem kleinen bisschen Grün träumt.

Wer redet da von „bedrohlich fremd“: So lange die Zitronenmelisse nicht über den Zaun wuchert, ist die Multikulti-Gartenkolonie in kleinstbürgerlicher Ordnung. Das exotisch Fremde ist rasenmähend plötzlich vertraut.

Und wenn uns die nächste Studie der Evangelischen Fachhochschule zu Hannover die Integration von MigrantInnen am deutschen Stammtisch bezeugt, dann wissen wir endgültig: Deutschland ist eine Einwanderergesellschaft mit hoher Integrationsbereitschaft. Wir warten gespannt auf neue Untersuchungen. Edith Kresta