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Eiszeit zwischen den Parteien im Kosovo

■ In dem kosovoalbanischen Provinzort Malishevo bekämpfen sich die UÇK und die Partei Rugovas. Die Hilfsorganisationen stärken mit ihrer Politik die ehemalige Befreiungsarmee

In der Ortsmitte von Malishevo wird der tägliche Markt wieder abgehalten, so wie vor der Zerstörung des Städtchens im August 1998. Malishevo ist das Zentrum eines Bezirkes im Kosovo mit 57.000 Einwohnern. Auch das politische Leben wird neu organisiert. Am Marktpatz befindet sich das Büro der LDK, der „Demokratischen Liga Kosovas“, der Partei des Präsidenten Ibrahim Rugovas, einen Steinwurf weiter das Büro der UÇK, der „Kosova Befreiungsarmee“ des Hashim Thaci. Und beide Seiten sind nicht gut aufeinander zu sprechen.

Jakup Kastrati, der Chef der LDK, holt weit aus, um die Lage zu erklären. Vor dem Krieg hätte seine Partei hier den Gemeinderat beherrscht, dabei das alternative Schulwesen organisiert, eine von Serbien unabhängige Finanzstruktur entwickelt, sogar ein eigenes Gerichtssystem geschaffen. Seine Partei habe eine Struktur in allen umliegenden Dörfern und weiterhin viele Mitglieder. „Wir werden bei den demokratischen Wahlen gewinnen, Rugova wird wieder Präsident“, sagt Kastrati.

Die UÇK direkt kritisieren will er nicht. Doch andere Mitglieder der Partei sind nicht so zurückhaltend. Vor allem jene nicht, die von der UÇK bedroht worden sind.

Einer von ihnen, ein Lehrer, der im Vorjahr selbst in der UÇK gekämpft hatte, aber gleichzeitig Rugova gegenüber loyal geblieben war, erzählt, er habe im Oktober 1998 vier Wochen lang in einem UÇK-Gefängnis gesessen.

Ein anderer wurde im Juli dieses Jahres von der UÇK-Polizei festgesetzt und geschlagen. „Sie bekämpfen uns, sie wollen die alleinige Macht,“ sagt er.

In dem ehemaligen Hauptquartier der UÇK, in dem einst die serbische Polizei saß, sind die Uniformen abgelegt und durch Zivilkleidung ersetzt worden. „Wir sind demilitarisiert, wir halten uns an das Abkommen mit der KFOR“, sagt einer der Angestellten in Abwesenheit des Kommandeurs. Jetzt würde eine politische Partei aufgebaut, die Gemeinde sei von der UÇK verwaltet. Die UÇK wäre die gesamte Zeit während des Krieges im Raum Malishevo aktiv gewesen. „Wir sind die wirklichen Repräsentanten des Volkes.“ Ihm ist anzumerken, dass er von den LDK-Leuten nicht viel hält: „Nur wir haben wirklich gegen den serbischen Faschismus gekämpft.“

Bald wird es von der OSZE organisierte Wahlen geben. Die meisten Bewohner zögern angesichts des Konkurrenzkampfes zwischen den albanischen Organisationen, Position zu beziehen. Bei der Frage, wer jetzt die Macht in Malishevo innehabe, ist ihre Antwort jedoch klar: die UÇK. Das sehen die internationalen Hilfsorganisationen auch so. Sie verhandeln nur mit der UÇK, um ihre Projekte durchzusetzen. Und stärken sie damit. „Die internationalen Organisationen haben nicht begriffen, dass wir die stärkere Partei sind und Rugova die Wahlen gewinnen wird“, behauptet Jakup Kastrati. Erich Rathfelder

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