: Die UÇK ist Geschichte
In langwierigen Verhandlungen mit der KFOR ging es bis zuletzt um die Zahl der Handfeuerwaffen, über die das neue „Zivilkorps“ verfügen soll ■ Von Erich Rathfelder
Die kosovo-albanische Befreiungsarmee UÇK sollte bis gestern um Mitternacht offiziell aufgelöst werden. Bis zum Redaktionsschluss waren die Modalitäten jedoch noch umstritten. Es zeichnete sich aber eine Einigung der politischen Führung der UÇK unter Hashim Thaci und der Nato-Friedenstruppe KFOR ab.
Der Generalstab der UÇK hegt jedoch weiterhin Bedenken. Die Militärs unter Agim Ceku bestehen auf der Existenz von militärischen Strukturen, die als Keimzelle einer Kosovo-Armee angesehen werden kann. Sie fordern von der KFOR die Erlaubnis, auch nach der Demilitarisierung 2.000 Handfeuerwaffen für das zu bildende „Zivilkorps“ der Organisation behalten zu dürfen.
Ein Sprecher der KFOR, Major Ole Irgens, teilte mit, es gebe Unstimmigkeiten zwischen Nato und UÇK über die genauen Aufgaben des Kosovo-Korps. UÇK-Führer verlangten Berichten zufolge, dass die Organisation auch militärische Aufgaben übernehme. Das Abkommen sieht vor, dass die UÇK ihre Waffen abgibt, bevor die Organisation in ein ziviles Kosovo-Korps umgewandelt wird.
„Die Entwaffnung ist abgeschlossen, aber es gibt Missverständnisse über den Prozess der Transformation“, sagte Irgens Reportern. „Es ist nicht sicher, dass die Unterzeichnung am heutigen Sonntag stattfindet.“ Am Samstag erklärte der politische Führer der UÇK, Hashim Thaci, wie er sich die Rolle der Nachfolgeorganisation vorstellt. „Die UÇK wandelt sich, sie wird nicht mehr UÇK heißen, aber sie wird eine Verteidigungsstreitmacht für die Bürger und das Territorium des Kosovo sein“, sagte Thaci.
Noch am Samstag hatten Truppen der UÇK während einer Parade in Priština unter großer Anteilnahme der Bevölkerung demonstriert, dass der Geist der Befreiungsarmee aus dem politischen Leben Kosovos nicht mehr wegzudenken ist. Durch das Zentrum der Stadt führte der lange Zug der Uniformierten, die mit diesem Aufmarsch Abschied nahmen und gleichzeitig Stärke demonstrierten. Die Befreiungsarmee wird am 90. Tag nach der Unterzeichnung des Demilitarisierungsabkommens zwar aufgelöst, sie muss ihre schweren Waffen abgeben, die Uniformen ablegen und auf ihre Embleme verzichten, sie soll aber im Rahmen eines „Zivilkorps“ weiter existieren dürfen. Nach Ansicht der internationalen KFOR-Militärs unter Kommandeur Michael Jackson soll dem neuen Korps das Tragen von lediglich 200 Handfeuerwaffen erlaubt werden.
Die Auflösung der UÇK, die immer noch um die 10.000 Mann umfasst, soll in einer 60 Tage währenden Phase umgesetzt werden. In dieser Zeit soll sich das Zivilkorps formieren. Nach dem Willen der KFOR-Militärs soll die UÇK als zivile Organisation mit neuen Emblemen auf den Uniformen am Wiederaufbau des Kosovo mitwirken, bei Notfall-Einsätzen helfen, möglicherweise auch bei der Registrierung von Personen und Eigentum mit polizeilichen und verwaltungstechnischen Befugnissen ausgestattet werden.
Andere Mitglieder der UÇK werden in Zukunft im Rahmen einer politischen Partei und der Polizei arbeiten. Zwar hat die internationale Gemeinschaft die Forderung von Hashim Thaci abgelehnt, ganze Einheiten der UÇK in deren Reihen aufzunehmen, sie wird sich jedoch nicht dagegen versperren können, Mitglieder der UÇK individuell in den Aufbauprozess der multikulturellen Polizeitruppe einzugliedern.
Der schon seit ihrer Gründung im Jahre 1993 bestehende politische Flügel der UÇK wird in einer neuen politischen Partei aufgehen. Viele Beobachter stufen die Politiker der UÇK als „links“ ein und meinen damit, dass diese Politiker in ihrer Vergangenheit dem kommunistischen Regime in Albanien nahe gestanden haben.
In Wirklichkeit ist jedoch keine eindeutige Linie festzumachen. Fest steht lediglich, dass die Partei weiterhin versuchen wird, die Unabhängigkeit des Kosovo durchzusetzen. Die alten, albanientreuen Kader dagegen scheinen nicht mehr die Mehrheit der Mitglieder zu repräsentieren. Die gegenwärtige Regierung in Tirana, in der Sozialisten den Ton angeben, hat bisher den Thaci-Flügel der UÇK gestützt. Eine weitere Strömung fordert die Wiedervereinigung mit Albanien. Außerdem gibt es Mitglieder, die nach den negativen Erfahrungen der Flüchtlinge mit Albanien vordringlich das Kosovo entwickeln möchten und das Ziel einer Wiedervereinigung in den Hintergrund schieben.
Gemeinsam ist diesen Strömungen die Ablehnung der Partei des Präsidenten des Kosovo, Ibrahim Rugova. Die Demokratische Liga Kosovas ist in ihren Augen eine Parteiformation, die mit ihrer kompromisslerischen Haltung gegenüber der „serbischen Besatzung“ das Recht verwirkt hat, das Kosovo zu regieren.
Noch ist aber keineswegs ausgemacht, ob es der UÇK-Partei gelingen wird, die Mehrheit der Bevölkerung auch bei Wahlen hinter sich zu vereinen. Vor allem in den Städten hat die Absicht der UÇK, nach dem Einrücken der Nato-Truppen und der Rückkehr der Bevölkerung sofort die Macht in den Verwaltungen zu übernehmen, Misstrauen erzeugt. Viele einflussreiche Bürger sehen in der UÇK eine totalitäre Organisation, die kompromisslos die Macht an sich reißen wolle. Unter diesen Bürgern gewinnt der Premierminister im Exil, Bujar Bukoshi, immer mehr Anhänger. Bukoshi könnte, gründete er eine liberal-demokratische Partei, zur dritten Kraft im Kosovo werden.
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