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Zu feige für den Mosh Pit weiter vorn

■ Hardcore heißt jetzt Dub. Der kleine blonde Punk, die Frau mit der „Born to be wild“-Jeansweste und all die anderen waren trotzdem da: Fugazi spielten im SO 36. Eine Zeitreise

Fugazi spielen im SO 36. „Wo auch sonst“, sagt Jovanka von Willsdorf, die eine Hälfte von den Quarks, an diesem sonnigen Nachmittag vor dem Konzert – und dass sie am Donnerstag zu Stereolab gehen wird. Unsereiner aber ist jetzt hier, um Fugazi zu sehen.

Die Oranienstraße ist voll, die Imbisse machen gut Geschäft, und ständig laufen einem Leute über den Weg, die man seit Jahren nicht gesehen hat. Drinnen dann ist die Zeitreise endgültig komplett. Im SO 36 warten schon: der Zwei-Meter-zehn-Mann, der sich unweigerlich vor einem aufbauen wird, um einem den Blick auf die Bühne zu versperren; das ultrarare hellblaue Skater-T-Shirt und das hübsche „I don't need no motherfucker to tell me what to do“-T-Shirt; der Zappler, der einem ständig auf die Füße tritt, aber zu feige für den Mosh Pit weiter vorn ist. Dazu unmögliche Kombinationen wie das Agnostic-Front-Basecap über drei fetten Goldketten; die Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt und der „Born to be wild“-Jeansweste, die aussieht wie jemand, den man mal kannte; und tatsächlich noch zwei oder drei echte Irokesen.

Überraschenderweise sind auch ein paar Menschen hier, die zu Hausbesetzerzeiten noch nicht volljährig gewesen sein dürften. Aber es gibt auch schon reichlich lichtes Haupthaar zu sehen, und wenn man Pech hat, steht man doch tatsächlich hinter einem langen, zotteligen Zopf – so einem, wie man selber mal hatte. Und wenn der Zopf sich bewegt, hat man irgendwann die Nase plötzlich ungewollt tief in den Haaren, und das ist zwar auch eine Erinnerung, aber keine sehr schöne. Ansonsten wird gedrängelt und geschubst, und es gibt natürlich wie immer die Typen, die sich rücksichtslos durchdrängeln – und die auch noch schnell genug sind, um den spitzen Ellenbogen der anderen nicht mehr abzukriegen.

Auf der Oranienstraße springt übrigens tatsächlich Pogo rum, der kleine blonde Punk mit den Rastazöpfen, der ständig im K.O.B. und im Tommy-Weißbecker-Haus abhing und den man – wenn man ehrlich ist – eigentlich längst für tot gehalten hatte. Besoffen vors Auto gelaufen, so in der Art, dachte man. Einer der alten Bekannten, die man getroffen hat, erzählt einem, dass Pogo schon vor Jahren mit dem Bier aufgehört hat. Und tatsächlich, da fällt es einem auf: Er sieht zwar noch genauso aus wie damals, aber irgendwie wesentlich gesünder.

Ach ja. Fugazi waren auch da. Guy Picciotto sieht inzwischen aus wie Christoph Schlingensief und Ian MacKaye wie WestBam. Oder vielleicht sah er schon immer aus wie WestBam, nur dass man damals noch nicht wusste, wie WestBam aussieht. Picciotto erzählt von vor sieben Jahren (mein Gott!), vom Auftritt im Tempodrom: „A big circus tent“, sagt er, und formt mit den Händen ein Zelt. Wer denn damals schon dabei war, fragt er, und es ist, als würde man sich gemeinsam an den Krieg erinnern. Es war toll, meint auch Picciotto, und natürlich war man da. Aber jetzt melden sich nur drei zaghafte Finger. 1992, nach dem Konzert, erzählt Picciotto, sei er noch in einem Berliner Krankenhaus gelandet. Weswegen, konnte man allerdings nicht verstehen.

Dann spielen Fugazi „Burning“, „Waiting Room“ und „Bad Mouth“, die Hits von ihrem wohl auf alle Zeit besten Album „13 Songs“, das jetzt exakt zehn Jahre alt ist. Da wird endlich mal richtig gejubelt. Dann sind die Hits durch und der Gig zu Ende. Fast. Mit den Zugaben spielen sie dann doch noch die eher langsame, unsicher tastende Dub-Version, die sie in den letzten Jahren von Hardcore entwickelt haben. Das ist musikalisch interessant. Aber deswegen waren Fugazi eigentlich nicht in der Stadt. Thomas Winkler

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