piwik no script img

Annäherung zwischen USA und UNO

■ Nach einjähriger Vakanz haben die USA wieder einen Botschafter bei den Vereinten Nationen. Zahlung ausstehender Beträge zugesagt

Washington (taz) – Als US-Präsident Bill Clinton am gestrigen Dienstag vor die UN-Vollversammlung trat, hatte sein Land nach einjähriger Pause zum ersten Mal wieder einen UN-Botschafter: Im September hatte Richard Holbrooke, derzeit Amerikas bekanntester und populärster Diplomat, sein Amt angetreten.

Holbrooke muss einerseits das bei der Weltorganisation tief gesunkene Ansehen der USA aufpolieren und Amerikas Einfluss wiederherstellen. Andererseits muss er Washingtons politische Klasse davon überzeugen, dass die Fortexistenz der Vereinten Nationen im Interesse der USA liegt. „Zu Amerikas wichtigsten Aufgaben in der UNO zählen die Lösung der Irakkrise und die Beteiligung der UNO an der Nachkriegsregelung im Kosovo“, meint Steven Dimoff von der Amerikanischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. „Der brisanteste Streitpunkt aber ist die Nachzahlung amerikanischer Beiträge an die UNO.“ Die belaufen sich je nach Berechnung auf fast anderthalb Milliarden Dollar.

Theoretisch ist die finanzielle Frage geklärt. Der Kongress hat eine Gesetzesvorlage verabschiedet, die einen Kompromiss zwischen UNO-Gegnern und -Befürwortern darstellt und die Zahlung von zirka einer Milliarde Dollar ermöglicht. An diesem Punkt war der Kongress allerdings schon letztes Jahr, doch dann hatte ein Abgeordneter eine Klausel durchgesetzt, die amerikanische Beiträge für Familienplanung verbot.

Auch dieses Jahr könnte der gleiche Zusatz zu einer Aussetzung der amerikanischen Zahlungen führen. Die Vollversammlung würde die USA daraufhin von der Ausübung ihres Stimmrechts im Plenum ausschließen, was in den USA wiederum einen Sturm der Entrüstung gegen die internationale Organisation auslösen würde.

Ein seltsamer Widerspruch kennzeichnet Amerikas Verhältnis zur Weltorganisation. Alle Umfragen zeigen, dass eine konstant wachsende Mehrheit der Amerikaner die UNO unterstützt. Zugleich aber wächst im Lande allgemein das Misstrauen gegen internationale Organisationen, die als inkompetent und ineffizient gelten. In der politischen Klasse Amerikas wächst die Abneigung gegenüber der UNO unaufhörlich. Steven Dimoff von der Amerikanischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen erklärt das einerseits mit dem Alter der meisten Abgeordneten im Kongress: Viele von ihnen kennen die UNO nur durch ihre Missionen in Somalia und Bosnien, und die gelten als Desaster.

Ferner stellt die UNO ebenso wie die Abtreibungsfrage ein ideologisches Thema dar und kann als parteipolitischer Spielball eingesetzt werden. Für die Republikaner mit ihrer hauchdünnen Mehrheit im Kongress ist das Pochen auf nationale Souveränität gegenüber einer sich angeblich als Weltregierung gebärdenden UNO ein Thema, über das sich die Partei definiert. Auch in der UNO wird Holbrooke es nicht leicht haben. Denn die Bereitschaft der USA, ihre Schulden zu zahlen, ist an die Senkung des amerikanischen Beitrags von 25 Prozent des UNO-Haushalts auf 22 Prozent und später sogar auf nur 20 Prozent geknüpft. „Irgendjemand wird mehr zahlen müssen, wenn die USA weniger zahlen wollen“, sagt Steven Dimoff, „und das werden die Europäer sein. Die aber machen geltend, dass sie bei gleicher Wirtschaftskraft wie die USA zusammengenommen schon 33 Prozentdes UNO-Haushalts zahlen.“

Holbrooke hat insofern drei Aufgaben vor sich. Er wird nicht nur Botschafter Washingtons in New York, sondern zugleich auch New Yorks Botschafter in Washington sein müssen, und dazu wird er noch öffentlichkeitswirksam arbeiten müssen – und für all das hat er nur 17 Monate Zeit, denn dann wird die Regierung Clinton sowieso abgelöst. Doch die Analysten stimmen darin überein, dass der Ausschluss der USA aus der UNO oder der Untergang der UNO nicht nur für Amerika ein Desaster wären. „Letztendlich ist das Verhältnis zwischen den USA und der UNO Ausdruck der noch immer nicht überwundenen außenpolitischen Ratlosigkeit, die in Amerika nach dem Ende des Kalten Kriegs eingesetzt hat“, diagnostiziert Steven Dimoff. Peter Tautfest

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen