: Die „Giftmischerin“ ist Spitzenreiterin im Vielreden
■ Fazit der zurückliegenden Legislaturperiode: Künast hatte mehr zu sagen als Landowsky
Wer hätte das gedacht: CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, der wohl spannungsreichste Redner im Berliner Parlament, der Dominator, der Populist, landet im Wettbewerb um den Abgeordneten mit der längsten Redezeit nur an vierter Stelle.
Wie aus einer gestern veröffentlichten Statistik des Landespressedienstes hervorgeht, war „Giftmischerin“ Renate Künast (O-Ton Eberhard Diepgen) die eifrigste Rednerin. Auf den Plätzen zwei und drei liegen der Lehrer Klaus Böger, zur Zeit SPD-Fraktionsvorsitzender, und der grüne Judas, der ehemalige Grüne und jetzige PDS-Fraktionschef Harald Wolf.
Nüchterne Analytiker würden sagen, Landowsky habe den Lorbeerkranz des Meistredners nur deshalb nicht errungen, weil ihm sein Parteifreund, Bürgermeister Eberhard Diepgen, die Show gestohlen habe. Andere meinen: Der CDU-Fraktionschef hat sich so über seine berüchtigte „Rattenrede“ vom Februar 1997 geschämt, in der er Obdachlose in die Nähe der Nagetiere rückte („Wo Müll ist, sind Ratten, und wo Verwahrlosung herrscht, ist Gesindel“), dass er erstmal halblang gemacht hat.
Allerdings sind Zweifel an der Seriosität der Statistik angebracht. Denn wie kommt es, dass Ida Schillen nicht unter den ersten vier Vielrednern zu finden ist? Nachdem sich die Kriegsgegnerin als Spitzenkandidatin der Demokratischen Liste zur Verfügung gestellt hatte, war sie von den Grünen ausgeschlossen worden: mit Zeit kostenden Folgen für das Parlament. Als Fraktionslose hat sie das Recht, zu allen Punkten Stellung zu nehmen, und tatsächlich ist kein Thema vor ihrer Redelust sicher.
Einen Trostpreis als eifrigster Fragesteller bekommt der Grüne Dietmar Volk verliehen. Mit seinen drei Ks, „Kirche, Krüppel, Körperertüchtigung“, hat er die meisten Anfragen an die Senatoren gestellt. Von 1.600 mündlichen Anfragen insgesamt stammen allein 90 von dem kirchen-, sport- und behindertenpolitischen Sprecher. Das Fragenstellen scheint den Grünen im Blut zu liegen. An die Senatsverwaltung wurden von den Abgeordneten aller Parteien 5.181 Kleine Anfragen gestellt. Dabei waren die Grünen mit 2.178 einsame Spitzenreiter.
Die Bemühungen der Abgeordneten werden offenbar von der Öffentlichkeit gewürdigt. Von 1995 bis September 1999 fanden 3.326 Führungen für Besuchergruppen statt. Der wichtigste Rekord in diesem September ist nicht die Zahl der Sonnentage, sondern ein anderer: Bislang sind 92 Führungen vorgesehen, jubiliert es aus der Statistik. So viele schöne Tage wird der September garantiert nie haben. Markus Franz
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