: Von sechs Kindern ist eines arm
44.000 Kinder erhalten Sozialhilfe. Viele gehen ohne Frühstück zur Schule ■ Von Peter Ahrens
Jedes sechste Kind in Hamburg ist arm. In manchen Stadtteilen kommt jedes dritte Kind morgens ohne Frühstück in die Schule. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage der Regenbogen-Abgeordneten Susanne Uhl und Lutz Jobs hervor. Danach sind fast 44.000 Hamburger Kinder auf Sozialhilfe angewiesen. Gut 6000 Kinder, die Zuwendungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, kommen noch dazu. Am höchsten ist der Anteil bei den Kindern, die jünger als sieben Jahre sind.
Bei den Kleinsten ist der Prozentsatz der Armut in den vergangenen Jahren immer weiter angestiegen: Erhielten 1993 noch 11 Prozent aller Kinder unter sieben Jahren Sozialhilfe, waren es im Vorjahr schon 17,6 Prozent. Leicht gesunken ist dagegen der Anteil bei den Jugendlichen über 15 Jahren.
„Beschämend und skandalös“ hat der Vorsitzende des Hamburger Kinderschutzbundes, Wulf Rauer, die Kinderarmut in Hamburg noch in der Vorwoche anlässlich des Weltkindertages genannt. Die Zahlen des Senats bekräftigen das. Ganz deutlich wird das bei der Ernährung der Kinder: Der Senat teilt zwar mit, dass „Anzeichen von Unterernährung nur selten beobachtet worden“ sind und Schlaf- und Bewegungsstörungen weit häufiger festgestellt werden – jedoch schätzt der Senat, dass etwa 30 bis 90 Kinder pro Klassenstufe untergewichtig sind – „Untergewicht kann hierbei als Indikator für Unterernährung gewertet werden“.
Dazu kommt bei vielen Kindern aus sozial schwachen Familien Fehlernährung, die „eher mit Übergewicht als mit Untergewicht einhergeht“. Der Senat weist auf die Untersuchung einer Altonaer Schulärztin hin, nach der in den Grundschulen im Bezirk 37 von 100 Kindern immer oder oft ohne Frühstück und Pausenbrot zur Schule gehen. Die Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten berichtet darüber hinaus, dass insbesondere in Stadtteilen mit einer schwachen Sozialstruktur „beim Mittagessen am Montag deutlich größere Mengen bereitgestellt werden müssen als an den übrigen Wochentagen“: Die Kinder kommen regelrecht ausgehungert aus dem Wochenende. Manche sichern sich vor dem Heimweg am Nachmittag noch die Reste des Mittagessens, um einigermaßen gesättigt über die Runden zu kommen.
Dann schließt der Senat eine Lis-te der Stadtteile an, „die in besonderer Weise von der Problematik betroffen sind“: Es folgt eine Aufzählung, in der außer Blankenese oder Othmarschen fast kein Stadtteil fehlt – von Altona über Barmbek und Jenfeld bis gar Winterhude – wobei aus den Bezirken Mitte, Bergedorf und Harburg noch nicht einmal Angaben vorliegen.
Eine Entlastung der betroffenen Familien durch die Kindergelderhöhung gibt es auch nicht: Das Kindergeld wird auf die Sozialhilfe angerechnet, und damit wird das, was auf der einen Seite erhöht wird, auf der anderen Seite wieder abgezogen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen