■ beiseite: Kultursponsoring
Es war wie Frankfurter Schule für Doofe. Rudolf Schulten, Vorstandsmitglied der Berliner Gaswerke Gasag, erklärte auf einer Pressekonferenz kurz und knapp, warum sein Unternehmen seit zwei Jahren Kultur sponsore. Der Stellenwert von Kultur innerhalb einer breiten Öffentlichkeit werde immer größer, so Schulten, und darum sei sie eben für die Wirtschaft interessant: Kunst und Kultur am Ende der bürgerlichen Moderne gleichen „sich ganz dem Bedürfnis an“, das hatten Adorno und Horkheimer ja schon in der „Dialektik der Aufklärung“ erkannt.
Wie dem auch sei: Die Gasag zumindest ist mit dem Ergebnis der von ihr in Berlin ausgerufenen „Partnerschaft zum gegenseitigen Vorteil“ sehr zufrieden. Die Bilanz: Seit 1997 unterstützt die Gasag die Arbeit der Neuköllner Oper und hat zum Beispiel einen mit 10.000 Mark dotierten Nachwuchswettbewerb ausgelobt – den Neuköllner Opernpreis, der bisher zweimal vergeben wurde. Die Hochschule der Künste wird mit einem Gasag-Kunstpreis unterstützt, und als letzter Partner kam jetzt das theater im palais dazu. Dessen Leiter Siegfrid Wein ist so glücklich darüber, dass er auf besagter Pressekonferenz eine knappe Zusammenfassung der hauseigenen Klassikerpflege mit dem Satz beendete: „Dass wir das alles machen können: schönen Dank an die Gasag.“
Vor lauter Dankbarkeit gab man sich dann auch ganz eifrig. Es sei ja nicht so, dass Sponsoring darin bestehe, gegen Geld den Namen des Spenders auf die Plakate drucken zu lassen, erklärte Winfried Radeke von der Neuköllner Oper: „Wir wollen auch Leistungen bringen.“ Also tritt das Ensemble bei sogenannten Kundenevents der Gasag auf, die HdK stockt die Gasag-Kunstsammlung auf, und die Schauspieler des theaters im palais wollen „für das Goethe-Jahr speziell gemeinsam mit der Gasag in ihrem Kundenzentrum kochen“.
Es ist ja eigentlich nichts gegen Sponsoring zu sagen: Kultur kostet Geld, das Geld muss irgendwo herkommen, warum nicht von der Gasag oder sonstwem, fertig. Die stetigen Kürzungen der Fördermittel werden darum auch von allen Beteiligten als Argument für das Sponsoring angeführt. Gleichzeitig allerdings mahnen sie Partner auf beiden Seiten, dass die öffentliche Hand sich darum jetzt natürlich nicht vollständig aus der Kulturförderung zurückziehen dürfe. Man wird sich allerdings fragen müssen, mit welchem künstlerischem Profil man in die nächsten Verhandlungsrunden mit dem Senat geht, wenn man gleichzeitig „Kundenevents“ der Gasag betreut – beziehungsweise in deren Küche kocht, weil gerade Goethe-Jahr ist.
Vielleicht ist das aber alles nur halb so schlimm und die Gasag diskursmäßig längst auf der richtigen Seite. Auf der Pressekonferenz erklärten auch zwei HdK-Absolventen, was ihnen der Kunstpreis so gebracht hat. Viele Einladungen von Galerien, sagte der eine daraufhin: Der Preis mache natürliche seine Bilder nicht besser, habe aber auf Käufer und Aussteller wie ein Gütesiegel gewirkt.
„Ein Gütesiegel, das ist gut“, sagte daraufhin Rudolf Schulten: „So etwas kleben wir sonst an die Heizkörper.“ Der Diskurs der modernen Kunst, der die Unterscheidung zwischen Schönem und Brauchbarem weit hinter sich gelassen hat, ist in der Vorstandsetage der Gasag angekommen. men
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