: Grüne Streitkultur mit neuem Stoff versorgt
■ Sturm im Wasserglas. Manche Grüne denken laut über Koalitionsausstieg nach
Berlin (taz) – Als „überflüssige Debatte“ bezeichnet die Fraktionschefin der Grünen, Kerstin Müller, Spekulationen von ParteifreundInnen, über einen möglichen Ausstieg der Grünen aus der Bundesregierung nach einer Wahlniederlage in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Frühjahr. „Jetzt muss es darum gehen, gute Regierungspolitik zu machen und sie den Leuten vernünftig zu erklären. Jetzt geht es darum, die Wahlen als Team zu gewinnen und nicht öffentlich darüber zu spekulieren, was ist, wenn wir verlieren“, sagte sie.
Der Chef der NRW-Grünen, Reiner Priggen, hatte in der Bild-Zeitung gesagt, bei einer Wahlniederlage müsse man überlegen, „ob wir in der Koalition bleiben können oder ob wir aussteigen, um unsere Überlebenschancen zu verbessern“. Die grüne Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach sagte: „Das Überleben der Partei ist wichtiger als die Zusammenarbeit mit der SPD.“
Neben Müller wiesen auch andere führende Bundespolitiker von Bündnis 90/Die Grünen Spekulationen zu einem möglichen Koalitionsausstieg zurück. „Ich kenne eine solche Diskussion nicht und würde sie auch nicht für angebracht halten. Sie böte nur der Opposition eine Steilvorlage“, kommentierte die verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion, Angelika Beer, die Meldung.
Vielmehr sei es jetzt wichtig, „gemeinsam dafür zu kämpfen, die nächsten Wahlen zu gewinnen“. Dafür müsse die Partei ihr Profil vor allem beim Atomausstieg, der Minderheitenpolitik und bei Fragen der Friedenspolitik im Bereich der Prävention schärfen.
Auch der innenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Cem Özdemir, weist Ausstiegsüberlegungen massiv zurück: „Es gibt kein Nachdenken über die Koalition. Wir stehen zu Rot-Grün und sind zuverlässige Partner.“
Er unterstützte gegenüber der taz die Reformvorschläge von Joschka Fischer zu einer stärkeren „Hierarchisierung“ der Grünen, warnte aber: „Das kann man nur mit der und nicht gegen die Partei machen.“
Unterdessen haben sich 30 grüne Politikerinnen in einem Aufruf gegen eine Abschafffung der Doppelspitze ausgesprochen. „Strukturreformen müssen überlegt in Angriff genommen werden und nicht als Reflexreaktion auf Wahlniederlagen“, heißt es. Die Frauen kritisieren, Joschka Fischer betrachte die weibliche Doppelspitze der Partei nur noch als „kleineres Übel“. Zu den Unterzeichnerinnen gehört auch Fraktionschefin Kerstin Müller.
Die Verfasserinnen fürchten, „dass mit einem Generalsekretär zusätzlich zum Geschäftsführer den Sprecherinnen die zwei vor die Nase gestellt werden sollen, die dann das eigentlich Wichtige leisten und die Sprecherinnen dieses dann als ihr Sprachrohr nur noch attraktiv weiblich verkünden dürften“. Bislang sei auch der in den Koalitionsvereinbarungen angekündigte „Neue Aufbruch in der Frauenpolitik“ ausgeblieben. Karin Nink
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