Überholter Hexenkessel

■ Der Hochofen der Stahlwerke wird renoviert, um Jahr 2015-fähig zu werden / Wo sonst Höchsttemperaturen herrschen, kraxeln nun Arbeiter in 100 Meter Höhe herum

enn Hans-Jürgen Blöcker spricht, dann fallen Zahlen. Superlative, gigantisch hohe Summen, unvorstellbare Größen, Tonnen, Temperaturen, Meter, Kilometer. Seit August spricht der Pressesprecher der Stahlwerke fast nur vom Hochofen, der gerade in einem Riesenprojekt rundum erneuert wird.

Die Arbeiten liegen gut in der Zeit. 100 Tage wurden für die Restauration angesetzt, nachdem 2 Jahre lang die Großaktion akribisch vorbereitet wurde. Jetzt ist Halbzeit. Am Hochofen sprühen Funken. Schwefelgeruch. Schleif- und Sägelärm. Alles rußbeschwärzt: Geländer, Gesichter, Blaumänner. Im Vollschichtbetrieb wird an einem Riesending gearbeitet: 12 Meter breit und gut 100 Meter hoch ist der Hochofen. Raketenform. Zugebaut mit ganz vielen Gerüsten. Der Blick vom Arbeitsbalkon hoch oben in den Hexenkessel rein fällt tief: ins schwarze Innere bis zum nächsten Arbeitsboden. Arbeitsgeräte, Seile, von Strahlern hell erleuchtert.

Und außen, auf rostbraunen Gitterrosten 50 Meter hoch im Freien, blickt man weit ins Land. Auf ganz viel grün, hinter ganz viel rostbraunen Hütten, Schornsteinen, Baugerüsten, Kränen, die zu den Stahlwerken gehören.

Im unteren Drittel umschließt ein dicker Silber-Ring den Hochofen, der Winderhitzer, der heiße Luft (900 Grad) in die Rakete bläst, und so Brennmaterial spart. Ringsherum flaschengroße Löcher, hier sollen später die Kühlkästen reingehängt werden. Aus Kupfer in den ganz heißen Regionen, sonst aus Stein. Später im Dezember, wenn die 100 Tage rum sind, muss das Wasserkühlsystem gut 2.000 Grad aushalten. Unglaubliche 2.000 Grad Hitze so abkühlen, dass man den Ofenpanzer außen mit der Hand anfassen kann. Nur wenn das Roheisen rausfließt, wird es richtig heiß, sagt Blöcker. Dann ist Schutzkleidung angesagt, dann schwirren Temperaturen bis 1.600 Grad im Raum. Temperaturen, die silbrige Schutzanzüge verlangen, fast wie Raumanzüge.

Früher, sagt Blöcker wurde einfach Wasser auf die Ofen geschüttet. Das war das ganze Kühlsystem, das bei den Höllentemperaturen ganz viel verschliss. Bis August. Jetzt wird der größte Bremer Hochofen auf den neusten Stand der Technik gebracht: Ein neues Kühlsystem, bessere Filter. Die Staubemission soll um 25 Prozent runter geschraubt werden, und die Produktionskosten billiger machen.

180 Millionen Mark wurden zunächst mal investiert. Das soll den Hexenkessel bis 2015 fit machen. Nach 10 Jahren sollen sich die Investitionen amortisiert haben.

Läuft der Hochofen, wird hier Eisenerz zu Roheisen geschmolzen. 7.000 Tonnen pro Tag. Im Moment brutzelt man auf Sparflamme. Der zweite Hochofen schafft nicht mehr als 4.000 Tonnen am Tag. Der ist nur etwa halb so groß wie die große Bruderrakete. Im Sommer wurde deshalb vorproduziert. Immense Zahlen: 380.000 Tonnen Stahl liegen auf Halde. Auch der kleine Hochofen soll renoviert werden. Irgendwann, später, Anfang des neuen Jahrtausends. Aber nicht so umfassend, sagt Blöcker.

Lange, lange musste der Riesenofen abkühlen, bevor überhaupt Hand angelegt wurde. In drei Teile wurde der Koloss zerlegt. Nur der mittlere Bereich blieb über. Die Hülsen oben und unten wurden verschrottet: 5.000 Tonnen Schrott. Die gleich wieder im Hochofen recyclet wurden. Anfang- und Endteil des Hochofens wurden neu angepasst. Das war Millimeterarbeit, sagt Blöcker. Das obere Stück musste durch das mittlere durchgezogen werden. Und das passte nur knirsch. Jetzt sitzen beide Teile. Nur millimeterdicke Silbernähte zeugen von dem Stückwerk.

Viele Hochöfen gibt es nicht mehr: Thyssen im Ruhrpott und Salzgitter. Das war es. Angst vor der Zukunft hat Blöcker nicht. Bremens Stahlwerke beliefern vor allem Autowerke: Und der Markt hat bekanntlich Zukunft. pipe