Pflegebedürftige sind kein Auto

■ 100 Pflegedienste bieten in Bremen ihre Dienste an / Ein undurchsichtiger Dschungel mit ein paar schwarzen Schafen

Der Markt für mobile Pflegedienste ist eng geworden. Seit der Einführung der Pflegeversicherung boomt das Geschäft mit der ambulanten Pflege. Knapp hundert Firmen gibt es in Bremen. Vorher waren es gerade zwei Dutzend. Gebracht hat der Konkurrenzdruck größere Auswahlmöglichkeiten, aber damit auch Verwirrung für den Nutzer.

Die Verbraucherzentrale hatte im Mai einen „Wegweiser durch die ambulanten Pflegedienste in Bremen“ erstellt. Fast alle hundert Pflegedienste hatten mitgemacht. „Die Bereitschaft war unheimlich hoch“, sagt Irmgard Czarnecki. Die Kritik der Verbraucherschützer lautet aber auch: „Es gab keinen einzigen Vertrag, der ok war“, sagt die Leiterin der Verbraucher-Zentrale. Czarnecki moniert zum Beispiel die fehlende Durchlässigkeit von Preisen. „Die Erfahrungen waren recht schlecht“, bestätigt auch Mitarbeiter Lovis Wambach. Viele verlangten auch nach dem Tod noch Geld bis zum nächsten Monatsanfang.

„Ein guter Pflegedienst ist zuverlässig und pünktlich“, erklärt die Pflegefachkraft Sabine Vogt. Für die älteren Leute sei wichtig, dass man sich auf die Pflegedienste verlassen kann, „und dass man ihnen beruhigt den Wohnungsschlüssel in die Hand drücken kann.“

Für Probleme hat das Amt für Soziale Dienste seit Ende Mai ein Beschwerdetelefon eingerichtet – als „neutraler Ort zwischen dem Kostenträger und dem Dienst“. Zwar hat die Anzahl der Beschwerden zugenommen, aber repräsentative Aussagen ließen sich daraus noch nicht ableiten. Richtig dicke Beschwerden sind bei Martin Stöver beim Amt für Soziale Dienste Süd aber noch nicht eingegangen. Meist klagen die alten Menschen, dass die Betreuer zu wenig Zeit haben, oder dass die Gesichter der Pfleger zu häufig wechseln. Stöver versucht dann zu vermitteln: Mit den Diensten zu sprechen und bei Kontaktarmut auf Altentagesstätten im Umfeld zu verweisen.

Schlechte Pflege heißt für Stöver: Der Pflegebedürftige wurde nicht gut beobachtet, Verschlechterung wurden bei Krankheiten nicht bemerkt. Oder es gibt Konflikte in der Familie, die eine richtige Versorgung nicht mehr gewährleisten. Bei solchen Problemen ist Stöver mit seinem „Vermittlungslatein“ am Ende. „Wenn der Pflegedienst das Versäumnis nicht zu ändern bereit ist, dann melden wir das der Pflegekasse“, erklärt der Sozialarbeiter. Denn die können den Vertrag kündigen. Aber das sei bisher noch nicht vorgekommen.

Solche schwarze Schafe unter den Pflegedienstlern sind selten, sagt Stöver. Vielleicht eine Handvoll in Bremen, vermutet Sabine Vogt: „Der Ruf ist oft viel schlechter als die Dienste eigentlich sind.“ Außerdem sprechen sich schwarze Schafe in der Szene schnell rum, sagt Maria Bals von der Psychosozialen Beratungsstelle für pflegende Angehörige und ältere Menschen. Auf dem Markt halten können die sich nicht. Denn die Vermittler, ob Amt für Soziale Dienste, Ärzte, die Überleitungsstellen in den Krankenhäusern, schlagen andere ambulante Dienste vor.

Für Martin Stöver hat der Wettbewerb auf dem Markt auch sein Gutes: Qualitätssteigerungen. „Die Pflegedienste können keinen Preiskampf führen“, nur die Qualität verbessern. Bei den ambulanten Diensten sind zum Beispiel immer mehr examinierte PflegerInnen eingestellt worden, bestätigt auch Pflegefachkraft Gabriele Becker.

Das Problem im ambulanten Pflegebereich sind fehlende Kontrollmöglichkeiten: Die Pflegebedürftigen sind häufig unsicher und können sich manchmal nicht mehr richtig ausdrücken. „Der Pflegebedürftige ist kein normaler Kunde eines Dienstes, sondern er ist von der Hilfe der Pflegedienste abhängig“, sagt Sabine Vogt. Zwar könnten sie jederzeit den Vertrag kündigen oder sich beim Pflegedienst beschweren: „Aber das können die alten Menschen kaum noch selbst machen.“ Das sieht Irmgard Czarnecki ähnlich: „Die Wenigsten kennen ihre Rechte, und es gibt zu wenig Stellen, wo sie vertreten werden.“ Denn sonst gebe es mehr Beschwerden. pipe