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Wir alle tragen Uniformen

■ Die Fantastischen Vier rappten zu acht im zweimal ausverkauften Pier 2

O Mann, wieder ein Konzerttermin. Doch diesen habe ich mir selbst ausgesucht: Die Fantastischen Vier, kurz Fantavier, spielen und rappen im Pier 2. Ich pack' also meine Fototasche. Das Ding ist superschwer, Mann. Hab' schon eingedellte Schlüsselbeine von der Schlepperei. Kann' ich die Tasche drüber hängen, ohne dass sie runter rutscht. Ich also auf ins Pier 2 und rappe zur Einstimmung schon mal, was mir gerade einfällt: „Und denke nicht an morgen / denk' nur in der Gegenwart / denn denkst Du nur auf diese Art / dann hast Du Sorgen eingespart.“ Das klingt gut, Mann, richtig klasse. Oder den hier: „Das Alter bei der Nächsten – ganz egal / jedenfalls steckt sie nach dem Essen immer ihren Finger in den Hals.“

Die Fantavier waren mal echt gut, Mann, richtig klasse, denke ich. Und bin schon am Pier 2. Ich komme wie immer zu spät, denn ich bin immer vielbeschäftigt und fast immer unterbezahlt. Vor dem Pier 2 stehen vereinzelte, verzweifelte Teenies, die keine Karten gekriegt haben. „Das daaaarff doch nicht waaaahhhhhr sein“, gellen sie. Pech. Ich zücke meinen Presseausweis, grinse frech zu ihnen rüber und gehe rein. O Mann, ist das voll. So superproppenvoll. Und so superscheißenheiß. Irgend so eine Vorgruppe rappt. Sehen alle gleich aus, die Jungs. But we all wear uniforms – whether if we know it or not, sagte schon Zappa, und der Bursche hatte Recht, Mann.

Irgendwann so um kurz nach halb zehn kommen die Fantas. Und ey, Mann, was soll das denn: Die sind ja zu acht! Scheiße. Morgen fragt mich dann wieder der Redakteur: „Und wer von denen auf dem Bild sind die Fantavier?“ Und ich kann die Frage nicht beantworten. Und dann sagt der: „Und was soll ich jetzt in die Bildunterschrift schreiben?“ Ich sag': „Is' mir doch egal, denk' Dir was aus.“

Aber erstmal muss ich die Bilder machen. Drei scheißenkurze Stücke Zeit lassen die einem meistens. Und da soll einer Kunst produzieren. Ey Mann, ich sag Dir: Werde nie Pressefotograf. Zum Glück lassen sich die Fantavier und der Rest der Band gut fotografieren. Ich hab' also meine Bilder im Kasten und hör' noch 'n bisschen zu. Ey, der Sound ist aber schlecht. Hinten auf der Treppe ist echt kein Wort zu verstehen. Außerdem regnets durch's Dach. Oder ist das Kondenswasser von den schweißnassen und völlig ausgeflippten Fans da vorne? O Mann, ich mach' mir echt Sorgen um meine Ausrüstung.

Ich werfe also die Tasche über die Schulter und zische ab. Zum nächsten Termin. Ich fand sowieso die alten Stücke besser als die neuen. Aber zum Glück muss ich nicht drüber schreiben. Da klingelt mein Handy. Ich sag': „Ja?“ Ist der Redakteur dran und sagt: „Unser Rezensent hat den Termin verschlafen. Kannst Du uns 'n paar Zeilen über die Fantavier schreiben?“ Ich sag': „O Mann, ich und schreiben? Ich bin Augenmensch! Ich bin Künstler! Such' Dir 'n anderen Deppen.“ Und lege auf.

Notizen eines fiktiven Fotojournalisten aufgeschrieben von ck/Foto: Kay Michalak

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