: Daumenkino
■ Sirenenlügen
Er ist Spezialist für Geiselnahmen. Der schwarze Chicagoer Cop Danny Roman (Samuel L. Jackson) ist der Mann, der für die Kollegen den Kopf hinhält und hofft, dass sie ihn nicht aus Versehen wegschießen. Als er ein Mädchen aus der Gewalt ihres Vaters befreit, gibt er den Scharfschützen am Fenster ein Zeichen – und plopp ist der Vater tot.
„Verhandlungssache“ ist der dritte Spielfilm von F. Gary Gray, semibekannt durch seinen HipHop-Film „Set It Off“. Der 1970 geborene Gray ist Teil der next generation nach Spike Lee, der es weniger um Ideologie als um Präsenz von Afro-Americans auf US-Leinwänden geht. Die Rasanz der Popularisierung des HipHop erreicht der schwarze Filmsektor noch längst nicht, aber Grays Thriller treibt sie ein Stück voran.
Da ist Hauptdarsteller Samuel L. Jackson, der dem Publikum spätestens seit „Pulp Fiction“ als Spezialist für Diskurse über den Zusammenhang zwischen Hamburgerkonsistenz und Killerinstinkt ans Herz gewachsen ist. Bei Gray ist er der good cop, der innerhalb von Sekunden zum bad cop mutiert und für den Zuschauer zum fanatischen, aber hoch moralischen Wahrheitssucher wird. Gray vollbringt sogar das Kunststück, uns vorzugaukeln, Roman sei ein abgebrühter Killer.
Nun hatte Gray ein fettes Budget, und so fliegen unserem Kämpfer gegen Korruption ständig Hubschrauber um die Ohren. Aus denen können die eben noch so netten Kollegen prima in Fenster gucken oder auch mal schießen. Überhaupt wird in „Verhandlungssache“ unheimlich viel beobachtet. Man könnte den Film gar für medienkritisch halten, denn bevor die Action beginnt, versuchen die Cops, das Terrain mit optimaler Beobachtung zu überziehen. Menschenaugen und Kameraauge verschmelzen zu Laserzielpunkten.
Entsprechend lässt Roman die Jalousien im Glaskastenbüro runter und nimmt Geiseln. Als kleine Beobachtungskameras durch die Lüftungsrohre hervorlugen, werden sie von ihm einfach abgeknickt. Der Krisenstab zieht sich zur Beratung zurück, und jetzt könnte eigentlich ein spannendes Psychospiel losgehen. An dieser Aufgabe aber scheitert der Film irgendwie. Die Story verheddert sich und muss zur Rettung des Thrills mit ordentlich Tränengas vernebelt werden. Als könnten Polizeisirenen nicht lügen, bemalen immer wieder hübsche Blaulichter den Abendhimmel. Alles perfekt inszeniert, aber eben doch nicht konsequent „Die Hard“-haft genug. Action und Rätselspiel tricksen sich gegenseitig aus. Als sich Roman auch noch jesusartig ins frei geschossene Fenster des Hochhauses stellt, kippt „Verhandlungssache“ in Bibelstoff um: Afroamerikanischer Mainstream ist, wenn Jesus schwarz sein darf, aber trotzdem nicht gekreuzigt wird. Andreas Becker ‚/B‘ „Verhandlungssache“. Regie: F. Gary Gray. Mit Samuel L. Jackson, Kevin Spacey u.a. USA 1999, 135 Minuten
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen