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Die Schwächen der Altvorderen

Sohn, Neffe, Spot- und Clipfilmer Jake Scott erzählt mit seinem Spielfilmdebüt „Plunkett & Macleane“ eine Räuberpistole als Dauerwerbesendung für Wegelagerei. Man will sie aber gar nicht kaufen  ■   Von Thomas Klein

Als in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern junge Regisseure ihre Werke jenseits jeder autorenfilmerischen „Neue Welle“-Befindlichkeit drehten und ihnen coole Bilder mindestens genauso wichtig waren wie gute Geschichten, machte der Kampfbegriff von der „Werbefilmästhetik“ die Runde in der Filmkritik. Ohne weiter gehende Erklärung reichte es da oft zu erwähnen, dass ein Filmemacher schon Werbespots oder Musikvideos gedreht hat – wer sich an verkaufsfördernden Maßnahmen beteiligt hatte und von der bösen Werbung besudelt war, konnte kein guter Mensch und schon gar kein guter Regisseur sein.

Dass heute die besten Kurzfilme im Nachtprogramm von MTV laufen und Clips von Chris Cunningham oder Hype Williams durchaus Kult- bis Kunststatus genießen, hat wenig daran geändert. Egal, wie viel Tiefe und Symbolkraft in Spots von Aphex Twin, Unkle, Björk oder Alex Gopher stecken mag. Wer – wie Hype Williams („Belly“) oder Felix Gary Gray („Verhandlungssache“) – den Schritt vom Spot und Clip zum abendfüllenden Spielfilm wagt, muss sich auch heute noch manchen unfairen Seitenhieb gefallen lassen.

Jake Scott, Sohn von Ridley und Neffe von Tony, ist bei seinem Kinodebüt entsprechend vorsichtig vorgegangen. Nach einigen prämierten Musikvideos, z. B. REMs „Everybody Hurts“, und einigen Handvoll Werbespots hat er sich die Geschichte zweier legendärer Straßenräuber aus dem Britannien des 18. Jahrhunderts vorgenommen, zwei durch „Trainspotting“ bekannt gewordene Schauspieler für die Hauptrollen und als romantic interest Amerikas Lieblingsschmollmund gewonnen. Was kann da schief gehen?

Eigentlich alles. Schon in der Eröffnungssequenz, in der der liederliche Armee-Offizier Macleane (Jonny Lee Miller) eher durch Zufall die Bekanntschaft mit dem Räuber Plunkett (Robert Carlyle) macht, ist erkennbar, dass Jake Scott wohl nur die filmischen Schwächen seiner Altvorderen geerbt hat. Denn bei der Schießerei vor Macleanes Ausnüchterungszelle trifft Ridleys Obsession für ausgeklügelte, undeutliche Ausleuchtung auf Tonys hektisches, unübersichtliches Schnitt-Stakkato. Was passiert, erschließt sich bestenfalls aus dem dünnen Dialog und den weiteren Szenen. Carlyle erklärt in einem Interview in der „Plunkett & Macleane“-Presseinformation, Jake Scott sei „technisch superperfekt“, aber er habe „noch nie mit richtigen Schauspielern zu tun“ gehabt. Die erste Aussage ist bestenfalls eine Behauptung, die zweite schlicht Untertreibung: Mit Schauspielern hat der Regisseur genauso offensichtlich Probleme wie mit der Dramaturgie seines Films.

Was auf dem Papier wohl eine fidele, modernisierte Abenteuergeschichte war (sozusagen „Die drei Musketiere“ der Neunziger), bleibt auf der Leinwand bleiern, kalt und tot. Warum sich die Titelfiguren so inniglich anfreunden, während sie als Duo die eklige Oberschicht erst ausbaldowern und dann ausnehmen, ist unverständlich; welche Liebe Macleane mit Rebecca (Liv Tyler), der hübschen Tochter des greisen Lordrichters von London (Michael Gambon), verbindet, bleibt Spekulationssache. Auch in die Figur des erzreligiösen, sadististischen Polizeichefs (Ken Stott) ließe sich viel hineininterpretieren – letztlich ist es aber doch nur eine sinistre Klischeegestalt.

Die Filmmusik von Craig Armstrong, einem grandiosen Soundbastler aus dem Massive-Attack-Umfeld, versucht, Altes mit Neuem zu verbinden und lässt barocke Streicher auf Drum 'n' Bass und TripHop treffen. An einer ähnlichen Aufgabe versagt Jake Scott, denn sein konfuser, denkfauler Film muss auf Geschlechtsverkehr vor wettendem Publikum, herausgekotete Edelsteine und eine angedeutete Vergewaltigung zurückgreifen, um Modernität zu simulieren. Dabei ist „Plunkett & Macleane“ aber doch nur ein Kostümfilmchen aus dem sonntäglichen TV-Nachmittagsprogramm, der übrigens auch als Werbefilm versagt. Denn was auch immer Jake Scott hier verkaufen wollte, man will es nicht haben. „Plunkett & Macleane“. Regie: Jake Scott. Mit Robert Carlyle, Jonny Lee Miller, Liv Tyler. GB 1998, 101 Min.

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