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Auf zum letzten Atom-Gefecht!

Politiker, hört die Signale: Während Ökoverbände vorm AKW Krümmel verlangen, Meiler mit vollen Lagern vom Netz zu nehmen, übergeben 570 Professoren in Berlin ihr Memorandum pro Atom  ■   Aus Krümmel Heike Dierbach

Die G 5, die großen fünf der Umweltbewegung, trafen sich zu ihrem Gipfel nicht in irgendeinem Hotelsalon, sondern direkt vor der Nase des gemeinsamen Gegners: Am Tor des Atomkraftwerkes Krümmel bei Hamburg forderten gestern Nabu, BUND, Greenpeace, DNR und der BBU gemeinsam einen schnellen Atomausstieg und drohten der Bundesregierung bei neuen Atomtransporten mit „erheblichen Konfrontationen“.

Derweil machten sich Vertreter von 570 Professoren auf ins Berliner Kanzleramt, um ihren Unmut über die rot-grünen Ausstiegspläne zu artikulieren. Es könne nicht sein, dass „an der Schwelle zum 21. Jahrhundert“ ein Ausstieg auf Basis „überholter Parteitagsbeschlüsse“ aus den Siebzigern und Achtzigern durchgesetzt werden solle, sagte der Stuttgarter Energiewissenschaftler Alfred Voß.

Währenddessen präsentierten sich die Bundesvorstände der fünf Umweltverbände in einer „Premiere der Geschlossenheit“, wie Greenpeace-Pressesprecher Stefan Schurig frohlockte. Sie verwiesen auf den Fakt, dass inzwischen sieben deutsche AKWs demnächst keine Lagerkapazitäten für abgebrannte Brennelemente mehr übrig hätten. So könnte den Betreibern der im Mai 1998 von der damalige Umweltministerin Angela Merkel (CDU) verhängte Transportstopp zum Verhängnis werden.

Den Umweltverbände zufolge drängten nun die Betreiber von Biblis, Neckarwestheim und Stade auf neue Transporte ins Ausland und nach Ahaus. „Die Atomindustrie kann aber keine Sicherheit von Transporten gewährleisten“, kritisierte Nabu-Präsident Jochen Flasbarth. Und die Entsorgung sei nach wie vor ungeklärt. „Deshalb müssen zunächst einmal Reaktoren mit erschöpfter Lagerkapazität vom Netz.“

Ansonsten muss Rot-Grün jetzt mit „einer neuen Einheitlichkeit“ der Anti-AKW-Bewegung rechnen, drohte Wolfgang Guhle, Vorstand vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). Die fünf Verbände würden gemeinsam gegen die Castor-Transporte protestieren.

Die Professoren in Berlin hingegen kämpfen bislang nur mit Worten: Ihrer Meinung nach habe es bereits einen erheblichen Fortschritt bei Sicherheit und Entsorgung gegeben. Alfred Voß geht so weit, die gesundheitlichen Risiken durch Atomkraft nicht höher als die durch Windkraft einzuschätzen, wenn man alle Faktoren von Rohstoffgewinnung bis Anlagenbau berücksichtige.

Einen „Engpass der Glaubwürdigkeit von Politik“, entdeckte dagegen Wolfgang Guhle vom BBU. Die Mehrheit der Bevölkerung habe im September 1998 mit Rot-Grün auch den Ausstieg aus der Atomindustrie gewählt. Wenn dies nun politisch nicht ungesetzt werde, „auf welche Mittel sollen die Bürgerinitiativen dann noch zurückgreifen?“

Auch für den BUND hat der Verlauf der Konsensgespräche das Maß voll gemacht. „Anfangs haben wir der Regierung ja noch guten Willen unterstellt“, sagte BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt, „jetzt stehen wir vor einem Scherbenhaufen.“ Das „Gefeilsche“ um die Laufzeiten erinnere sie an einen Flohmarkt.

In ihrer Oppositionszeit hätten SPD und Grüne noch selbst festgestellt, dass die Entsorgung deutschen Atommülls im Ausland gesetzeswidrig sei, erinnerte Brigitte Behrens, Geschäftsführerin von Greenpeace. Heute nehme die Regierung „bewusst“ in Kauf, dass etwa die WAA in Sellafield die Gesundheit gefährde: „Diese Anlage setzt so viel Radioaktivität frei, dass sie in Deutschland nie genehmigungsfähig wäre.“

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