: Israelis schossen nicht in Notwehr
■ Bericht der Staatsanwaltschaft: Kurden griffen am Konsulat keine Wachleute an, als die Schüsse fielen. Sie wählten die Vertretung für Protest aus, weil diese kaum bewacht war
Die israelischen Wachleute, die am 17.Februar bei der Besetzung des Generalkonsulat vier Menschen erschossen, haben die tödlichen Schüsse auf mindestens zwei Kurden nicht in Notwehr abgegeben. Das ist ein zentrales Ergebnis des vorläufigen Endberichts der Staatsanwaltschaft über die Ermittlungen zum Blutbad. Der Bericht, der heute Grundlage der Zeugenbefragung vor dem Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus ist und der taz vorliegt, widerlegt die israelische Version des Geschehens. Die Israelis hatten stets betont, alle Schüsse seien nur in Notwehr und – bis auf einen – nur im Konsulat gefallen.
Der Bericht des Staatsanwalts hält dagegen fest, dass die Kurden, die auf der Treppe zum Konsulat standen, keineswegs die Israelis angriffen, als die für zwei Kurden tödlichen Schüsse fielen: „Die Menschenmenge“, heißt es in dem Papier, „steht weiterhin mit dem Rücken zur Eingangstür und fast ausnahmslos ruhig auf der Treppe, als plötzlich in außerordentlich schneller Folge acht Schüsse zu hören sind.“ Die Kurden drängten daraufhin nach unten, manche brächen zusammen. Schon die Zeugenaussagen seien dazu geeignet, die Angaben zumindest eines Wachmannes „in Zweifel zu ziehen, dass er bei der Schussabgabe direkt angegriffen wurde“, heißt es. Die Obduktion der Toten verstärke diesen Eindruck.
Im Konsulat, so die Ermittlungsergebnisse, seien lediglich zwei Kurden verletzt worden, einer davon tödlich. „Alle anderen Geschädigten, die getötet oder verletzt wurden, dürften vor der Eingangstür im Windfang bzw. Treppenbereich durch Schüsse getroffen worden sein.“ Nach Aussagen von Polizisten lagen „leblose Personen“ im Windfang.
Der Bericht widerlegt zugleich die Verteidigungslinie von Innensenator Eckart Werthebach (CDU). Dieser hatte stets behauptet, ein Angriff auf das Konsulat sei nicht vorhersehbar gewesen, deshalb sei es so wenig geschützt worden. Dort standen trotz massiver Warnungen, die Bundesbehörden den Berliner Sicherheitskräften schon am Vortag übermittelten, lediglich die drei Polizisten.
Ein Kurde sagte laut Staatsanwaltschaft bei der Vernehmung unmittelbar nach seiner Festnahme, „dass man das israelische Generalkonsulat ausgewählt habe, da vor allen anderen interessanten Einrichtungen massive Polizeikräfte stationiert gewesen seien“. Das bedeutet, dass das Blutbad höchstwahrscheinlich hätte verhindert werden können, wenn das Konsulat so stark geschützt worden wäre wie etwa die US-Botschaft oder die SPD-Zentrale. Die Kurden hätten dann einen Sturm offenbar erst gar nicht gewagt.
Der Bericht belegt die schlampige Ermittlungsarbeit der Berliner Behörden und unterstellt den Israelis indirekt, den Tatort in ihrem Sinne bereinigt zu haben: So habe ein Wachpolizist noch drei Tage nach dem Blutbad und nach der „Tatortarbeit“ deutscher Beamter ein Projektil auf dem Gelände des Konsulats gefunden, obwohl die deutschen Untersuchungsbeamten zuvor auf dem Gelände keine Projektile oder Hülsen einsammeln konnten. Das Projektil lag auf dem Mauersockel des Zauns um das Konsulat. Ein weiteres Projektil wurde ebenfalls auf dem Grundstück gefunden. Die Beamten ließen „das zweite Projektil auf dem Konsulatsgebäude, da sie insoweit davon ausgingen, keine Zugriffsbefugnis zu haben. Als erst am 22. Februar 1999 Beamte des polizeilichen Staatsschutzes das zweite Projektil sicherstellen wollten, war es nicht mehr auffindbar.“ Philipp Gessler
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