Ein wenig New Yorker Flair in Pristina

■ Der Aufbau der zivilen UN-Verwaltung im Kosovo, Unmik, ist abgeschlossen

Priština (taz) – Noch vor einigen Wochen warteten die Menschen im Kosovo sehnsüchtig auf die Vertreter der zivilen internationalen Institutionen, auf die Mitarbeiter der UN, der internationalen Polizei, der Europäischen Union. Denn die Ankunft der Mitarbeiter dieser Institutionen versprach endlich Ordnung, Arbeit und Jobs, eine Normalisierung des Lebens.

Jetzt sind sie da. Im Zentrum von Priština sind alle größeren Gebäude von diesen Institutionen besetzt. Die Unmik, die UN-Mission im Kosovo, hat eine ganze Straße für sich in Beschlag genommen, das Hauptquartier der KFOR befindet sich nur einen Steinwurf entfernt von der Zentrale der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die in einem modernen, glasverkleideten Haus residiert. Und die EU hat sich in dem renovierten Gebäude eines ehemaligen Museums niedergelassen.

Wer versucht, in eines der Büros vorzudringen, muss warten. Neu angeheuerte Pförtnerinnen suchen in Namenslisten verzweifelt nach der gewünschten Person. Und die internationalen Mitarbeiter wissen oft nicht, wo die Büros ihrer engsten Kollegen liegen. Doch sie beklagen sich nicht. Sie wissen, sie sind Mitarbeiter eines Experimentes.

Im Kosovo wird eine internationale Verwaltung aufgebaut, eine eigene Welt im Kleinen. Die mexikanische Diplomatin, die sich mit einer Mitarbeiterin aus Britisch-Guinea unterhält, wird von einem pakistanischen Vorgesetzten zur Sitzung gerufen. Polizisten aus Afrika, aus Nepal, Spanien und Österreich gehen gemeinsam auf Streife. Die Atmosphäre des UNO-Hauptquartiers in New York herrscht nun auch in der Hauptstadt Kosovos, Priština. Die Provinzstadt atmet plötzlich internationales Flair.

Die Aufgabe ist gewaltig. Aus einem vom Krieg zerstörten Land soll mit Hilfe dieser Administration eine blühende und friedliche Landschaft werden. Mit Pathos hält sich der Chef des Unternehmens, der Franzose Bernard Kouchner, zurück. Denn die Konstruktion der Unmik ist kompliziert, und niemand weiß, ob sie wirklich funktionieren wird. Sie ruht auf vier „Säulen“. Der Aufbau der Institutionen und der Verwaltung obliegt der UNO selbst, die Sicherheit wird durch Nato und KFOR verbürgt, die EU soll sich um den wirtschaftlichen Aufbau kümmern und die OSZE um Menschenrechte und den Aufbau der Demokratie. Wenn die Endstufe des Aufbaus erreicht ist, wird Kouchner allein in seiner engeren Behörde über mehr als 1.500 internationale und lokale Mitarbeiter verfügen, 3.100 Mann UN-Polizei werden dann vor Ort sein, in den 29 Bezirken Kosovos werden zudem von der UN geleitete Verwaltungen aufgebaut, fast 50.000 Soldaten sind schon stationiert. Die in der Unmik integrierten Organisationen OSZE und der EU bauen ihre eigenen Strukturen auf. Die Unmik wird die Wirtschaft lenken, die lokale Polizei ausbilden, Steuern erheben, die Registrierung der Bevölkerung durchführen, Ausweise ausgeben, Wahlen organisieren.

„Anders als in Bosnien kann hier eine Struktur geschaffen werden, die es ermöglicht, alle internationalen Organisationen auf eine gemeinsame Politik zu verpflichten“, erklärte der österreichische Spitzendiplomat und Kenner des Balkans, Albert Rohan, bei einem kürzlichen Besuch in Priština. Probleme macht in den Augen vieler Mitarbeiter etwas anderes. Es ist die inhaltliche und politische Ausrichtung der Unmik. Die Resolution 1244 werde schon jetzt als „eine Art Bibel“ gehandhabt, klagen kritische Mitarbeiter, die ihren Namen nicht nennen wollen, um ihre Position nicht zu gefährden. „Es setzen sich Denkverbote durch.“ So dürfe das Wort „Protektorat“ nicht ausgesprochen werden. Faktisch sei Kosovo jedoch zu einem internationalen Protektorat geworden. Und wie man den „Spagat“ hinbekommen wolle, Kosovo einerseits als Teil des Staates Jugoslawien zu behandeln und andererseits ein Protektorat zu errichten, das von einer „Regierung“ Kouchner geleitet wird, bleibt vielen Mitarbeitern und Beobachtern ein Rätsel.

Immerhin sind schon Erfolge vorzuweisen. Es ist gelungen, die UÇK zu entwaffnen und in ein ziviles Corps einzubinden. Die D-Mark ist Währung geworden, die internationale Polizei ist jetzt präsent. Nach anfänglichen Schwierigkeiten beginnt sich die Zusammenarbeit von Unmik-Adminstration und den lokalen Behörden zu verbessern. Doch wie jede Regierung muss auch die Unmik mit Protesten rechnen. Zum Hindernis für die künftige Entwicklung könnte die Entscheidung werden, dass in allen staatlichen Wirtschaftsbetrieben Serben und Mitglieder anderer Minderheiten eingestellt werden müssen, bevor die Produktion aufgenommen werden darf. Doch die meisten Serben wollen nicht zurückkommen, die meisten Albaner wollen sie nicht haben. Und so stockt der Wiederaufbau vor allem bei den Betrieben, die schon jetzt wieder produzieren könnten. Erich Rathfelder