: Wer nicht fit ist, spielt fad
Bayern München wertet das 1:1 bei Schalke als Erfolgserlebnis im Kampf gegen die Zeit und hofft nun verstärkt auf zehn Tage Ligapause ■ Aus Gelsenkirchen Katrin Weber-Klüver
Wenn vorher beide Seiten wissen, dass sie ein Spiel gewinnen sollten, weil sie beide, gemessen an ihren Ansprüchen, den Saisonstart gründlich vermurkst haben, dann gibt ein 1:1 ihnen nach dem Spiel zwei Optionen. Entweder das Verfehlen des Ziels bitterlich zu beklagen oder aber die Partie trotzdem als Erfolg zu werten. Die Rollenverteilung in Gelsenkirchen war klar: Die Schalker klagten, die Bayern atmeten auf.
Huub Stevens, der Trainer des FC Schalke 04, fand das Resultat „bedauerlich“. Das lag etwas an Schiedsrichter Strampe, der „nicht das allerglücklichste Spiel gepfiffen“ hatte, wie Stevens bemerkte. Besonders strittig war nach einer halben Stunde ein Foul von Matthäus an Asamoah, das Strampe lediglich mit einer gelben Karte ahndete, wenngleich es recht eindeutig eine Notbremse gewesen war.
Diese Fehlentscheidung hätte Stevens nach seinem 100. Bundesligaspiel als Schalke-Trainer wohl leichter verziehen, wenn die Seinen nicht ausgerechnet in der Schlussminute den Ausgleich hätten kassieren müssen. Und das auch noch in Überzahl, denn der wieder einmal zu ungestüme Kuffour hatte wegen wiederholten Foulspiels (Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld: „Er hat einen Lauf, er denkt zu viel über seine Fehler nach.“) rot gesehen. Doch wie schon in Frankfurt, beim letzten Auswärtsspiel der Münchner, als Michael Tarnat ersatzweise das Tor hüten musste, entpuppte sich auch in Gelsenkirchen die potenzielle Schwächung alsbald als Stärkung. Und wenn es auch nur und vor allem eine Stärkung der Moral war. Nun gelang den Bayern, was sie bis dato nie vermocht hatten: Sie drängten Schalke zusehends in die Defensive.
Stevens konnte nicht verstehen, dass Führung und Überzahl gegen scheinbar erschöpfte Bayern keine Offensivbemühungen seiner Elf mehr provoziert hatten: „Wir haben die Konter nicht gut herausgespielt, und bei 1:0 muss man sich gegen zehn Leute nicht so zurück ziehen.“ Kapitän Olaf Thon, der für den Fall des Sieges Champagner kalt gestellt hatte, stimmte zu: „Wir haben es nicht geschafft, ein Kombinationsspiel aufzuziehen, das erkennen ließ, dass wir ein Mann mehr waren.“ Es gab überhaupt nur noch einen einzigen Schalker Angriff.
Hitzfeld konnte den grübelnden Gastgebern erklären, dass der Vorteil zu diesem Zeitpunkt längst auf Seiten der Bayern gelegen hatte. In Überzahl zu spielen sei eine „psychische Belastung“, wohingegen das dezimierte Team eher unbeschwert „Druck auf den Gegner“ aufbauen könne.
Diese Sicht der Dinge machte sich Stefan Effenberg zu eigen. 88 Minuten lang hatte er demonstriert, was in diesen Wochen das Problem der Bayern ist: Weil Leistungsträger wie er nicht richtig fit sind, ist das Spiel fad und ohne Geist. Hitzfeld versuchte einmal mehr, um Verständnis zu werben, indem er auf die Verletztenliste hinwies: „Wir müssen Spieler ins kalte Wasser werfen, wie Effenberg, Lizarazu, Elber, die brauchen alle noch ihre Zeit.“ Mit Trainingsrückstand also und ohne vernünftige Übungseinheiten, dafür aber mit zwei Punktspielen pro Woche sah Effenbergs Spiel in Gelsenkirchen so aus: Er schlug Fehlflanken; gab Schüsse aufs Tor ab, die den Ball ins Nirgendwo der Tribünen beförderten; er kam bei Zweikämpfen angelegentlich zu spät; er war gerade in Vertretung des verletzt ausgeschiedenen Matthäus Abwehrchef, als Thon mit einem Diagonalpass diese Abwehr düpierte und das 1:0 einleitete. Effenberg also machte Fehler über Fehler. Dann trat er im Schalker Strafraum in der 88. Minute in einem wüsten Getümmel auch noch zu zögerlich gegen den Ball. Und doch gab ihm diese vertane Torchance womöglich den letzten Kick. Der zweite Versuch saß.
Nur Momente später hätte das eingewechselte, bereits durch sporadisch aufflackernde Spiellust aufgefallene Kreativduo Elber/Scholl fast den Siegtreffer zuwege gebracht. Ein Sieg, sagte Hitzfeld, „wäre des Guten auch zu viel“ gewesen. Schon das Remis wertete er als „Erfolgserlebnis“. Und anders als Schalke müssen künftige Gegner sich nicht mehr grämen, gegen schwächliche Bayern leichtfertig Punkte verschenkt zu haben. Die Pflichtspielpause wird den Meister nämlich wieder auf das Niveau der Vorsaison bringen. Sagt jedenfalls der Trainer: „Wir werden die Schwierigkeiten in den nächsten zehn Tagen abstellen.“
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