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Haider räumt ab, ÖVP fällt ab, SPÖ sackt ab

■  Wahlen in Österreich: FPÖ laut Hochrechnungen vor der bürgerlichen ÖVP. SPÖ mit schlechtestem Ergebnis seit 50 Jahren. Grüne können sich steigern

Wien (taz) – Der große Sieger bei den österreichischen Parlamentswahlen heißt Jörg Haider. Seine fremdenfeindliche FPÖ legte gegenüber den letzten Wahlen von 1995 um mehr als fünf Punkte zu und ist nunmehr zweitstärkste Kraft. FPÖ-Generalsekretär Peter Westenthaler sprach gestern von einem Auftrag, „die Politik der Neuerungen im neuen Jahrtausend“ fortzusetzen.

Die großen Verlierer sind die Sozialdemokraten (SPÖ) unter Bundeskanzler Viktor Klima, die fast fünf Prozentpunkte abgeben mussten. Obwohl sie mit 33,4 Prozent stimmenstärkste Partei blieben, ist das Ergebnis ein schwerer Schlag für Klima, der zum ersten Mal eine Wahl als Spitzenkandidat schlagen musste. So schlecht wie gestern war die SPÖ nach dem 2. Weltkrieg noch nie.

Weniger verloren als vermutet hat die bürgerlich-christdemokratische ÖVP, die den zweiten Platz offenbar nur um Haaresbreite verfehlte.

Die Freiheitlichen, die für die Jubelfeier ein Bierlokal im proletarischen Wiener Stadtteil Kagran angemietet hatten, sehen sich schon in der Regierung. Westenthaler: „Der Bundespräsident wird die stärkste Partei mit der Regierungsbildung beauftragen. Scheitert die, dann ist die zweitstärkste Partei dran.“ Noch deutlicher wurde der Vorarlberger FPÖ-Chef Gorbach, der meinte, die FPÖ solle den Kanzler stellen: „Es würde Österreich gut tun, eine Regierung ohne Sozialisten zu haben.“ Spitzenkandidat Thomas Prinzhorn erklärte, seine Partei würde mit beiden Parteien Gespräche führen: „Wir sind offen nach beiden Richtungen.“

Gewonnen haben auch die Grünen, die zwei Prozentpunkte dazu gewannen. Parteichef Alexander van der Bellen leitet daraus keinen Auftrag ab, der SPÖ zu Hilfe zu eilen: „Unsere Position ist klar definiert als unbestechliche Oppositionskraft.“ Die Frage nach der Ampelregierung stellt sich schon deswegen nicht, weil der dritte Partner, das Liberale Forum, die Vierprozenthürde nicht meisterte und damit aus dem Parlament fliegt.

Kanzler Klima steht jetzt vor einem Dilemma. Sein bisheriger Koalitionspartner Wolfgang Schüssel (ÖVP) hat sein Wort verpfändet, seine Partei in die Opposition zu führen, sollte sie nur drittstärkste Kraft werden. Klima wiederum hat gelobt, alle außer Jörg Haider zu Koalitionsverhandlungen einzuladen. Rechnerisch möglich ist schließlich eine Koalition zwischen FPÖ und ÖVP. Österreich stehen spannende Zeiten bevor. Ralf Leonhard

Bericht und Interview Seite 8

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