Ein Produkt sucht seinen Markt

Das Retortenteam Frankfurt Skyliners kämpft um mehr Zuschauer in der Bankenmetropole, um Akzeptanz in der Basketball-Bundesliga – und gegen das eigene Maskottchen    ■ Von Bernd Seib

Es sei schwierig, Freiwürfe zu verwandeln, wenn hinter dem Korb ein Hochhaus mit fünf Kindern im Schlepptau vorbeifährt

Nein, trotz gutem Saisonstart läuft beim neugegründeten Basketball-Bundesligisten Frankfurt Skyliners längst nicht alles rund. Zwar liegt man nach dem sonntäglichen 98:77-Sieg beim MTV Gießen, dem dritten in Folge, in der Tabelle punktgleich nur knapp hinter Spitzenreiter Alba Berlin, doch Maskottchen „Linee“ erwies sich bisher als Sorgenkind.

Derart zottelige Plüschwesen sind in am amerikanischen Vorbild orientierten Sportarten an der Tagesordnung – im Verbund mit den Cheerleaders sorgen sie während des Spiels für Stimmung. Doch „Linee“ ist irgendwie anders. Kein possierliches Tierchen animiert da die Zuschauer, sondern ein tumbes Hochhaus kurvt auf Inline-Skates herum, zieht dabei eine Kinderhorde und inzwischen auch reichlich Spott hinter sich her. „Kinderkarussel ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss“, lacht Skyliners-Pressesprecher Klaus Beydemüller, zeigt sich aber mit der Entwicklung zufrieden.

„Drei Jahre sind veranschlagt“, um das Produkt Basketball in der Mainmetropole zu etablieren. Das Projekt Skyliners reiht sich dabei in die allgemeine Umstrukturierung der Basketballlandschaft ein. Wolfgang Kram, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Bundesligisten, beschreibt die Richtung wie folgt: „Basketball war früher ein Studentensport, aber heute brauchen wir auch die Straße.“ Konkret heißt das: weg von den kleinen Universitätsstädten, hin zu Metropolenclubs.

Zwei davon sind in dieser Saison neu am Start: Während sich die Hamburg Tigers qua Aufstieg qualifizierten, ist die Entstehung der Skyliners etwas komplexer gestrickt. Im Vorjahr hieß man noch TV Tatami Rhöndorf und qualifizierte sich immerhin für den Saporta-Cup – vergleichbar dem Fußball-Uefa-Cup. „Aber in Rhöndorf ließ sich guter Basketball finanziell einfach nicht darstellen“, erklärt Beydemüller. Das nahe Köln gelegene Rhöndorf, so lassen die Verantwortlichen durchblicken, war letztlich ein Standortnachteil. Mit Telekom Baskets Bonn und Leverkusen spielten zwei Konkurrenten in unmittelbarer Nachbarschaft, und der TV Tatami musste seine Heimspiele in der Schulturnhalle in Honnef austragen. Die war zwar meist ausverkauft, fasste jedoch nur knapp 1.500 Zuschauer.

In der Agentur für Sportwerbung (ASW), wo die Geschäfte des TV Rhöndorf seit sieben Jahren abgewickelt werden, machte man sich so seine Gedanken – „Überlegungen, die Stadt zu wechseln, gibt es schon seit Jahren“, erzählt Beydemüller, „doch die Verhandlungen mit der Köln-Arena kamen leider nicht zum Abschluss.“ Einigkeit erzielte man jedoch mit dem Sport- und Badeamt der Stadt Frankfurt. Das suchte händeringend nach Nutzern der nicht ausgelasteten Ballsporthalle. Folge: Mit Sack und Pack zog der TV um, wurde zu den Skyliners, spielt jedoch weiter mit der Rhöndorfer Lizenz.

Mit 2.500 Zuschauern kalkuliert man nun für die erste Saison, die bunt bestuhlte Halle wäre damit halb gefüllt. Enttäuschend verlief jedoch die Premiere gegen Brandt Hagen. Ein volles Haus hatte man sich gewünscht, reichlich Freikarten unters Volk gestreut, und doch fanden sich nur 3.000 Neugierige ein, von denen über die Hälfte nicht bezahlt hatte. Beydemüller sieht darin lediglich die üblichen Schwierigkeiten, auf die ein am Markt neues Produkt stößt: „Wir müssen die Fans erst einmal für uns interessieren.“

Sportlich scheint das möglich: Mit Stefan Koch steht ein renommierter Coach an der Bande, und die neu formierte Mannschaft steigert sich bislang von Spiel zu Spiel. Um Nationalspieler Kai Nürnberger, den Jugoslawen Sinisa Kelecevic und Ex-NBA-Profi Gary Collier wurde ein Team geformt, dem die Experten schon im ersten Jahr viel zutrauen. Erreichen des Playoff-Halbfinales, lautet das Minimalziel in dieser Runde, aber der Dreijahresplan sieht bereits den Titel vor. Beydemüller gibt sich selbstbewusst: „Da machen wir kein Hehl daraus: Ziel ist die Europaliga.“ Die Teilnahme am eher wenig lukrativen Saporta-Cup ist da allenfalls eine Durchgangsstation, denn „die Bundesliga genießt absolute Priorität“.

Wenn „Linee“ am heutigen Abend im Saporta-Cup gegen Sakalai Vilnius seine Runden dreht, wird auch das bereits vom komenden Bundesligaspiel überlagert. Denn dann kommt Alba Berlin, „das Vorbild für jeden BBL-Club“, so Beydemüller. An deren bislang unangefochtener Stellung soll demnächst gekratzt werden, auch wenn Coach Stefan Koch befürchtet: „Alle Teams wollen es doch uns, dem Retortenverein, zeigen.“ Hinzu kommt das Problem „Linee“. Es sei für die Spieler schon ziemlich schwierig, Freiwürfe zu verwandeln, wenn hinter dem Korb ein Hochhaus mit fünf Kindern im Schlepptau vorbeifährt, grantelte Koch nach dem letzten Heimspiel.