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Indiens Wahlmarathon abgeschlossen

■ Fünf Wahlrunden, etwa 100 Tote, gegenseitige Beschuldigungen: Doch von politischer Apathie kann in dem Riesenstaat keine Rede sein. Die nationalistische BJP bleibt vorne

Delhi (taz) – Die Wahl für das 13. Parlament Indiens ist am Sonntag mit einer fünften Wahlrunde zu Ende gegangen.

Meinungsumfragen zufolge wird das regierende Bündnis Nationale Demokratische Allianz (NDA) unter Führung der BJP ihre knappe Mehrheit von einem Sitz im Parlament auf rund zwanzig ausbauen können. Aber auch für die Kongress-Partei, die erstmals unter Sonia Gandhi antrat, sehen die Wahlprognosen Mandatsgewinne voraus.

Der Versuch der BJP, die Erfahrung ihres Premierministers Atal Behari Vajpayee gegen die „unerfahrene Ausländerin Sonia“ auszuspielen, wäre damit misslungen. Die BJP-Kampagne gegen die Halb-Italienerin trug der Witwe von Rajiv Gandhi eher Sympathien ein. Dem Sieg Vajpayees im Kaschmir-Konflikt konnte sie allerdings nichts entgegensetzen. Für ihre Tochter Priyanka Vadra-Gandhi markierte der Wahlkampf den Beginn einer hoffnungsvollen politischen Karriere. Als Wahlhelferin ihrer Mutter gelang es der 27-Jährigen, zu einem Identifikationssymbol für Frauen und die junge Generation zu werden. Sie könnte für die Alt-Herren der BJP zu einer gefährlichen Herausforderung werden.

Der Wahlkampf wurde, nicht zuletzt dank der Macht des Fernsehens, zur Chance für die Wähler, mit ihren Vertretern abzurechnen. Nicht selten zwangen bei Wahlveranstaltungen die Zuhörer die Kandidaten, den Blick auf die kaputte Infrastruktur und den beklagenswerten Zustand von Straßen, Elektrizitätswerken, Schulen und Krankenhäusern zu richten.

Trotz des Einsatzes von hunderttausenden von Polizisten und Armeeangehörigen verloren über hundert Menschen ihr Leben, die meisten von ihnen Polizisten und Wahlbeobachter. Die späten Monsunregen führten im Osten des Landes zu Überschwemmungen, die Wahlkampf und Urnengang ebenfalls erschwerten. Dennoch ließen sich viele Wähler nicht von der Stimmabgabe abhalten. Zwei Zeitungsfotos prägten sich ein: Auf einem sieht man Wähler in Kaschmir, die wie Frontkämpfer in geduckter Haltung über eine Straße laufen, weil sie von militanten Wahlgegnern unter Feuer genommen wurden. Das andere Foto zeigt ein überflutetes Wahllokal in Bengalen. Davor stehen Wähler in gedrängter Schlange – auf zwei Reihen schwankender Boote, nach Frauen und Männern getrennt.

Mit der Auszählung der rund 300 Millionen Stimmzettel wird am Mittwochmorgen begonnen. Offizielle Resultate werden erst in einer Woche erwartet, knapp vor dem letzten Termin für den Zusammentritt der neuen Volkskammer am 21.Oktober – beinahe sechs Monate, seit die Regierung im April ihre Mehrheit verlor.

Bernard Imhasly

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