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Verkehrte Welt bei den Personaldienstleistern

■ Der erste Tarifvertrag in der deutschen Zeitarbeitsbranche kam auf Druck des Unternehmens zustande. Die Gewerkschaften wissen noch nicht, ob sie das gut finden

Etablierte Personaldienstleister sehen mit Unbehagen, wie einige ihrer Konkurrenten Lohndumping betreiben

Köln (taz) – Warum können international tätige Zeitarbeitsfirmen sich in den Niederlanden mit Tarifverträgen abfinden, in der Bundesrepublik aber nicht? Diese durchaus berechtigte Frage stellt nicht etwa ein Gewerkschafter. Sie kommt von Norbert Fuhr, Geschäftsführer der Start Holding, dem bundesweit ersten Personaldienstleister, der ein Tarifwerk mit einer DGB-Gewerkschaft ausgehandelt hat.

Dazu hat man ihn nicht lange drängen müssen. Im Gegenteil, die Initiative ging von dem Unternehmer selbst aus. Fuhrmann sieht sich in der Tradition der niederländischen Muttergesellschaft, der im sozialpartnerschaftlichen Konsens entstandenen Start Stiftung. Diese hatte sich von Beginn an einem Tarifvertrag unterworfen. „Es war mir ein Anliegen“, sagt Fuhrmann, „die IG Metall dazu zu bringen, ihre Position zu hinterfragen“.

Allzu viel Anstrengung dürfte ihn das nicht gekostet haben. Nach jahrzehntelanger Ablehnung der kommerziellen Zeitarbeit als „Menschenhandel“ hatten die Gewerkschaften in jüngster Zeit ohnehin einen Kurswechsel vollzogen. „Wir haben uns mit unseren Positionen nicht durchgesetzt“, stellt IG-Metall-Sprecher Claus Eilrich unumwunden fest: „Im Gegenteil, die Leiharbeit hat zugenommen.“ Und das vor allem in seinem Zuständigkeitsbereich – der überwiegende Teil des Verleihgeschäfts wird im gewerblichen Bereich getätigt, und hier insbesondere in der Metallbranche

Auch Gesetzesänderungen durch die neue Bundesregierung stehen für die Gewerkschaften außerhalb des Bereichs des Möglichen: „Wir konnten im Regierungsprogramm keine Forderung nach einem Verbot der Leiharbeit finden.“ Die eigentliche Entscheidung der Gewerkschaft, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, sei aber in den Bezirken gefallen, so der IG-Metall-Sprecher.

Dort werden die Funktionäre mit einer wachsenden Unzufriedenheit ihrer Mitglieder konfrontiert. Viele Metaller verdingen sich nun, da die ständig Arbeitsplätze abbauenden Betriebe sie nicht mehr dauerhaft beschäftigen wollen, bei den Verleihfirmen und fordern eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Es waren dann die Metallgewerkschaft in Nordrhein-Westfalen, die mit den Start-Töchtern bsk aus Duisburg und timeflex aus Köln, und die Bezirksleitung in Hamburg, die mit der top Tarifverträge aushandelten.

Im Bundesvorstand findet der neue Kurs aber offensichtlich Unterstützung. Dem für die Expo 2000 gültigen Tarifvertrag mit dem weltgrößten Personaldienstleister adecco gab auch der Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel, der auch im Expo-Aufsichtsrat sitzt, seinen Segen.

Doch nicht nur in den Beziehungen zwischen den Start-Töchtern, adecco und der IG Metall sind neue Zeiten angebrochen. Auch zum Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen (BZA) haben die Gewerkschafter Kontakte geknüpft. Zwar betonen beide Seiten, dass es sich bei den Gesprächen lediglich um einen „offenen Kommunikationsprozess“ handele.

Doch trotz aller angestrengten Distanz ist die Zielrichtung klar: Man will die Möglichkeiten eines Branchentarifes ausloten. „Wir sind nicht grundsätzlich dagegen“, sagt BZA-Hauptgeschäftsführer Gert Denkhaus, „wir können aber erst verhandeln, wenn wir von unseren Mitgliedern ein Mandat dazu erhalten.“ Die Tariffrage werde im Verband kontrovers debattiert, im Herbst würden die zuständigen Gremien tagen.

„Für wen spricht der BZA eigentlich?“, fragt Gewerkschafter Eilrich und will damit Druck aufbauen. Viele Zeitarbeitsfirmen würden Interesse an Tarifverträgen signalisieren, aber längst nicht alle seien im Dachverband organisiert.

Der IG-Metall-Sprecher weiß, dass die Chancen für einen Branchentarif gut sind. Denn auf Unternehmerseite gibt es ernsthaftes Interesse. Die etablierten Personaldienstleister sehen mit großem Unbehagen, wie einige ihrer Konkurrenten fortwährendes Lohndumping betreiben. Einen Preiskampf wollen sie aber vermeiden, nicht zuletzt deshalb, weil sie um das Wohlwollen von Betriebsräten bemüht sind. Deren Zustimmung benötigen sie, wenn sie in den Betrieben Fuß fassen wollen.

Dieter Kalcic

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