: Regine Hildebrandt hält Wort
Brandenburgs Sozialministerin legt nun auch ihr Landtagsmandat nieder. Parteifreunde geben sich tief betroffen. Dabei haben die Genossen selbst kräftig nachgeholfen: mit Intrigen und CDU-Kumpanei ■ Von Jens Rübsam
Berlin (taz) – Fast immer, wenn beliebte Politiker sich entschließen, Amt und Mandat niederzulegen, werden Worte des Bedauerns geäußert. Ergriffen, als träfe sie der Rücktritt wie ein Schlag aus der Steckdose, senken Parteifreunde die Häupter und sprechen wunderbare Sätze – wie beispielsweise gestern Matthias Platzeck (SPD): „Ich kann mir“, sagte Potsdams Oberbürgermeister tief getroffen, „im Moment eine Regierung in Brandenburg ohne Regine Hildebrandt noch nicht so recht vorstellen.“ Dabei hätten es die märkischen Genossen wissen können.
„Was ich denke“ heißt ein Büchlein, 96 Seiten stark, erschienen vor fünf Jahren in der Reihe „Querdenken“. Auf Seite 30 schreibt die Autorin Regine Hildebrandt: „Meine Tage in der Politik werden gezählt sein, wenn ich erkenne, dass nur noch Diplomatie, Intrigen und eiskalte Berechnung etwas ausrichten.“ Gestern nun gab Brandenburgs Sozial- und Arbeitsministerin bekannt: „Ich lege mein Landtagsmandat nieder.“ Schon zuvor hatte die 58-Jährige ihren Verzicht auf einen Ministerposten erklärt, falls ihre Partei ein Regierungsbündnis mit der CDU eingeht. Dafür haben sich die Brandenburger Genossen auf einem Sonderparteitag am Montag Abend mehrheitlich ausgesprochen.
Die Frau – gern als Mutter Courage des Osten bezeichnet – hat Wort gehalten. Was von Politikern nicht immer behauptet werden kann, kann im Fall Regine Hildebrandt nicht wirklich verwundern. „Was in den letzten Tagen hinter den Kulissen gelaufen ist“, sagt einer ihrer engsten Vertrauten, „hat sie persönlich sehr getroffen.“ Intrigen gegen sie, gesponnen von den eigenen Genossen. Politik aus Berechnung, betrieben von Führenden der Brandenburger Sozialdemokraten. Schmähungen und Häme, verbreitet vom zukünftigen Koalitionspartner CDU.
„Jeder ist verzichtbar“, hatte einer aus der Parteispitze über Hildebrandt geurteilt. „Die Zeiten, in denen man mit dem Verbandsköfferchen durchs Land reiste, sind vorbei“, hatte ein anderer lakonisch kommentiert. Ein „starkes Stück“ befand Hildebrandt zornig und gab verletzt zu Protokoll: „Ich lasse mich nicht zur Tusnelda vom Roten Kreuz machen.“ Und als der zukünftige Brandenburger Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ihr mangelnde „Toleranz“ vorwarf, war „die Regine“, wie sie die Märker nennen, endgültig nicht mehr zu halten. „Ich könnte einen Knüppel nehmen.“
Auch dieser Stoßseufzer konnte nicht wirklich verwundern. Wer im „Was ich denke“-Buch nachgeschlagen hatte, fand auf Seite 28 ihre Meinung zur CDU schwarz auf weiß. Hier bezichtige sie die CDU der „Vereinigungslügen“. Dass es im Osten niemanden schlechter gehen würde, aber vielen besser, und dass die Angleichung der Lebensverhältnisse schnell kommen würde, „das war Betrug“, schreibt sie dort. Und nun sollte sie sich mit diesen „Arschlöchern“ an einen Kabinettstisch setzen. „Die haben keine Fachkenntnis, keine Verlässlichkeit, keine Fairness“, sagt sie immer wieder.
Ihr vorerst letzter Auftritt auf dem Parteitag am Montag Abend in Ludwigsfelde war eine letzte Kampfansage: Die Absage der Brandenburger SPD an die PDS sei ein strategischer Fehler, warnte sie die Delegierten, der PDS werde nun das für die Ostdeutschen mit Abstand am höchsten bewertete Thema überlassen: die soziale Gerichtigkeit. Doch die Genossen, die kurz zuvor noch Blumen en masse auf ihren Tisch gelegt hatten, ließen sich nicht mehr umstimmen. Rot-Schwarz wird Brandenburg regieren.
„Hörn se uff“, pflegt Regine Hildebrandt stets zu sagen, wenn ihr etwas nicht passt. „Hörn se wirklich uff?“, das hätten gestern gern die Journalisten gewusst. Dass die SPD – im Osten eine Regionalpartei – ihre „Mutter Teresa“ ziehen lässt, kann sich keiner vorstellen. Ein Vertrauter sagt: „Sie wird ihre Schnauze ganz sicher nicht halten können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen