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Plötzlich ist Sucht eine Krankheit

Der neue Drogenbeauftragte soll der Gesundheitsbehörde und nicht länger der viel kritisierten Elisabeth Lingner unterstellt sein  ■ Von Elke Spanner

Interne Gründe gibt es auch, aber die werden nicht verraten. So preist die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) ihre Umstrukturierung als politischen Richtungsentscheid: Das Drogenreferat wird künftig vom Amt für Gesundheit verwaltet, weil „wir damit ausdrücken wollen, dass Sucht eine Krankheit ist“, so BAGS-Sprecherin Petra Bäurle.

Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Der andere dürfte darin liegen, dass die Drogenpolitik aus der öffentlichen Schusslinie genommen werden soll. Der bisherige Drogenbeauftragte des Senats, Horst Bossong, war dem Amt für Soziales und Rehabilitation angegliedert – und damit Leiterin Elisabeth Lingner unterstellt, die nicht zuletzt wegen der umstrittenen Ausschreibung von Drogenhilfsprojekten oft im Lichte der Öffentlichkeit stand. Die Verantwortung für die Drogenpolitik würde Lingner somit künftig entzogen.

Schon rein räumlich kam dem Drogenreferat bisher eine exponierte Stellung zu: Während die übrigen Abteilungen der BAGS in der Behördenzentrale Hamburger Straße residieren, ist die Dienststelle von Bossong gesondert am Berliner Tor untergebracht. Bäurle bestätigt, dass auch diese Absplittung in Zukunft aufgehoben werden soll. „Wir haben in der Hamburger Straße zwar keine Räume frei“, sagt die Sprecherin, aber: „Ein Umzug des Drogenreferates hierhin wird gewünscht.“

Gestern ist Bossong offiziell aus seinem Amt verabschiedet worden. Er übernimmt eine Professur am Fachbereich „Sozialverwaltung“ der Essener Gesamthochschule. Die Stelle des neuen Drogenbeauftragten soll öffentlich ausgeschrieben werden, betonte gestern Bäurle, nachdem zuvor öffentlich da rüber spekuliert worden war, dass schlicht ein Referatsleiter der BAGS zum Drogenbeauftragten umbenannt werden soll. Wie schon Bossong, soll in der Behördenhierarchie auch der neue Amtsinhaber die Stellung eines Referatsleiters inne- und dadurch noch drei Verantwortliche über sich haben: eine Abteilungsleitung, eine Amtsleitung und schließlich Senatorin Karin Roth (SPD).

Den politischen Symbolwert, den die Übergabe des Drogenreferates an das Amt für Gesundheit ausstrahlen soll, begründet BAGS-Sprecherin Petra Bäurle mit dem Modellprojekt zur kontrollierten Heroinabgabe, das kommendes Jahr in Hamburg starten soll – und den Gesundheitsaspekt der Drogensucht klar zeige. Zudem sei die Drogenpolitik bundesweit bei den Gesundheitsministerien angesiedelt. Und in Hamburg werde sie parlamentarisch auch bereits im Gesundheits- und nicht im Sozialausschuss behandelt, fügte die Sprecherin an.

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