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Schwitzen statt Sitzen

■ Gemeinnützige Arbeit soll eigenständige Strafform werden. Heute Debatte im Bundestag

Freiburg (taz) – Gemeinnützige Arbeit soll eine normale Strafe wie Gefängnis oder Geldbuße werden. Dies fordert ein Gesetzentwurf des Bundesrats, der heute im Bundestag verhandelt wird. Auch Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) befürwortet die Reform, die allerdings noch grundlegende Fragen aufwirft.

Bisher spielt „gemeinnützige Arbeit“ in der Kriminalpolitik nur in Randbereichen eine Rolle. So können jugendliche Straftäter zum Beispiel zum Waschen von Krankenwagen oder zu Tätigkeiten im Umweltschutz verurteilt werden. Im Erwachsenenstrafrecht wird gemeinnützige Arbeit bisher vor allem zur Vermeidung von so genannten „Ersatzfreiheitsstrafen“ eingesetzt. Straftäter, die eine Geldstrafe nicht bezahlen können, müssen ersatzweise ins Gefängnis, es sei denn sie leisten gemeinnützige Arbeit – nach dem Motto „Schwitzen statt Sitzen“.

Zur Zeit wird in der Kriminalpolitik über viele Neuerungen diskutiert. Neben Fahrverbot und elektronischem Hausarrest ist die Ausweitung der gemeinnützigen Arbeit ein wichtiges Thema. Wenn die Arbeitsstrafe als eigenständige Strafform eingeführt würde, hätte dies vor allem zwei Vorteile. Einerseits würde eine neue Sanktionsform das Instrumentarium, mit dem Richter auf Straftaten reagieren können, erweitern. Andererseits soll so die Bürokratie verringert werden: Wenn ein Richter sieht, dass beim Angeklagten ohnehin kein Geld vorhanden ist, kann er ihn sofort zu gemeinnütziger Arbeit verurteilen.

Teilweise hofft man so sogar, Geld sparen zu können. Immerhin sind bundesweit sieben Prozent aller Haftplätze mit armen Schlukkern blockiert, die lediglich ihre Geldbußen nicht bezahlen können; in Mecklenburg-Vorpommern waren es 1997 sogar 17,3 Prozent. Sie müssen für 150 Mark pro Tag im Gefängnis verköstigt, betreut und bewacht werden, obwohl eigentlich kein kriminalpolitischer Grund für eine Inhaftierung besteht.

Allerdings ist fraglich, ob die gemeinnützige Arbeit viel billiger zu haben ist. Schließlich ist auch bei einfachen Waldarbeiten eine intensive sozialarbeiterische Betreuung erforderlich, wenn die Betroffenen alkoholkrank und/oder obdachlos sind. Der Stuttgarter Justizminister Ulrich Goll (FDP) sieht die gemeinnützige Arbeit deshalb nicht als Einsparpotenzial, sondern als eine Form von Sozialarbeit. „Da können selbst Leute, die schon lange nicht mehr gearbeitet haben, wieder Mut fassen“, so ein Ministeriumssprecher.

Nicht glücklich wären die Länder allerdings, wenn wegen der vermeintlichen pädagogischen Vorteile gemeinnützige Arbeit künftig routinemäßig angeordnet würde. Dies wäre für die Länder dann wirklich eine teure Reform. Sie müssten nun auch bei solventen Straftätern auf die Geldbuße verzichten und zusätzlich Kosten für soziale Betreuung tragen.

Einer ausufernden Verhängung von Arbeitsstrafen steht aber schon das Grundgesetz entgegen. „Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig“, heißt es in Artikel 12. Im Gesetzentwurf des Bundesrats wird den Verurteilten deshalb faktisch ein Wahlrecht zwischen gemeinnütziger Arbeit und Geldstrafe zugestanden. Im Jugendstrafrecht hat man dieses Problem nicht. Hier gilt gemeinnützige Arbeit nicht als Strafe, sondern als „Erziehung“.

Der Länder-Entwurf wird nach der heutigen ersten Lesung in den Ausschüssen des Bundestags geparkt, bis auch ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vorliegt. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin will aber erst Anfang nächsten Jahres ein großes Paket zur „Reform des Sanktionensystems“ auf den Weg bringen. Derzeit arbeitet noch eine Expertenkommission ihres Ministeriums an diesem Thema. Christian Rath

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