: Eine Million Chinesen können nicht irren
■ Der Rugby-Weltverband will den Sport in anderen als den klassischen Märkten etablieren. Nur leider spielen wieder nur die immer gleichen Favoriten um den WM-Titel
London (taz) – Wenn es nach den Plänen des International Rugby Board (IRB) geht, könnte die Dominanz der drei bisherigen Rugbyweltmeister Australien, Neuseeland oder Südafrika eines Tages beendet sein. „Wir wollen erreichen, dass zehn Mannschaften für den Gewinn der Weltmeisterschaft in Frage kommen und nicht nur drei oder vielleicht vier“, erklärt Peter McMullan, Promotions Manager des Rugby-Weltverbandes. Bei der vierten WM, die am letzten Wochenende begonnen hat und heute mit Begegnungen des zweiten Spieltages fortgesetzt wird, sind diese drei Länder erneut die großen Favoriten.
Um sinkendes Interesse von Fans und Sponsoren zu vermeiden sowie die geplante Erweiterung des Favoritenkreises über die traditionellen Rugbynationen hinaus zu erreichen, will der IRB dafür sorgen, dass der Sport expandiert. Dabei hat man vor allem drei Zielmärkte vor Augen: die USA, den gesamten deutschsprachigen Raum und China. Die Probleme, die dem IRB dabei entgegenstehen: in den USA und im deutschprachigen Raum vor allem die Konkurrenz der dort dominierenden Sportarten, in China die schiere Masse der Bevölkerung.
Auf den ersten Blick scheint es sich der IRB zu leicht zu machen. Rugby populär und bekannter zu machen sei Aufgabe der einzelnen nationalen Verbände, erklärt McMullan, „wir liefern zu diesem Zweck die finanziellen Mittel“. Doch der IRB geht weiter und organisiert zusätzliche Wettbewerbe. Damit soll die Konkurrenzfähigkeit der Mannschaften gestärkt werden, die nicht zu den traditionellen Rugbyländern gehören. So wurden etwa die „Pacific Rim Championships“ ins Leben gerufen, an denen bisher Kanada und die USA sowie Japan, Tonga, Samoa und Fidschi und ab nächstem Jahr auch Argentinien teilnehmen. Die Überlegung dahinter: Wenn die USA und Kanada zu einem Test-Match antreten (wie die Freundschaftsländerspiele genannt werden), ist das Interesse dafür selbst in den beiden Ländern minimal. Findet dieses Spiel aber im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs statt, sind die Medien auf einmal sehr interessiert.
Beim IRB war man erleichtert, als sich sowohl Kanada als auch die USA für die WM qualifizierten. Vor vier Jahren noch waren die amerikanischen Eagles, die wie die Kanadier zur ersten Weltmeisterschaft 1987 eingeladen worden waren, nicht bei der WM dabei – ein erneutes Fehlen hätte den Expansionsplänen einen erheblichen Dämpfer versetzt.
Unter den drei Zielmärkten besitzt China die geringste Priorität. Dort spielen zwar bereits eine Million Menschen Rugby. Das aber ist wenig im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und – was der IRB nur zwischen den Zeilen andeutet: Unter einer kommunistischen Regierung wird sich daran nur wenig ändern. Wichtiger wäre es, Rugby hier zu Lande zu popularisieren. „Deutschland besitzt noch weit vor Russland das größte sportliche und wirtschaftliche Potenzial für eine Expansion“, erklärt WM-Pressechef Chris Thau.
Doch obwohl in unseren Breiten Rugby gespielt wird, sind hier die Ignoranz und das Halbwissen der Massen gegenüber dieser Sportart größer als zum Beispiel in Kanada und den USA, wo Rugby ebenfalls nur Randsportart ist. Aber: „Wir müssen damit rechnen, dass Deutschland, Österreich und die Schweiz international nie wettbewerbsfähig werden“, sagt McMullan. Was bedeutet: Keine Medien, keine Sponsoren und damit keine wirtschaftliche Expansion.
Doch bereits jetzt steht fest, dass an der fünften Rugby-WM, die 2003 in Australien und Neuseeland stattfindet, noch mehr Mannschaften teilnehmen wollen als die 65 Nationen, deren Verbände sich vor drei Jahren zur Qualifikation für die diesjährige Auflage angemeldet hatten. Nach dem Finale am 6. November will sich der IRB aber erst einmal zusammensetzen, um den Erfolg des neuen Formats (mit 20 anstatt wie bisher 16 Mannschaften) zu besprechen. Danach soll entschieden werden, ob das Turnier gar auf 24 Mannschaften anwächst. Das birgt jedoch eine Gefahr in sich: Es könnte nach gegenwärtigem Formstand der Teilnehmer noch mehr einseitige und langweilige Spiele bringen. Wenn diese Gefahr beseitigt ist, wäre die Rugby-WM aber tatsächlich hinter den Olympischen Spielen und der Fußball-WM „der drittgrößte Weltsportanlass“, wie die vierte Austragung letzte Woche von einem der Hauptsponsoren bezeichnet wurde. Diese Einschätzung kam ausgerechnet von einem US-amerikanischen Getränkehersteller. Tut sich da tatsächlich was? Clemens Martin
Zitat:„Man muss damit rechnen, dass Deutschland, Österreich und Schweiz international nie wettbewerbsfähig werden“
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