■ Vorlauf:
„11 und 12“, Sonntag, 21.15 Uhr, 3sat
„Mein Vernehmer?“, greift Regina Kaiser die Frage einer Besucherin der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des MfS auf, wo sie vor knapp 20 Jahren selbst wegen „Landesverrats“ einsaß und heute Besichtigungen durch die Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen leitet. „Na ja, ich war wohl sein erster richtiger Fall“, sagt sie „und er war noch nicht gut ausgebildet.“– „Haben Sie den mal wiedergesehen, haben Sie Kontakt?“, hakt die Besucherin nach. – „Ja“, so die lapidare Antwort, „wir leben jetzt zusammen.“
16 Jahre nach ihrer ersten Begegnung nämlich nahm Regina – „Sehr geehrter Herr Karlstedt!“ – wieder Kontakt zu Uwe, ihrem Vernehmer von der Stasi, auf. War's doch, so will es die Erinnerung, damals Liebe auf den ersten Blick. Inzwischen haben beide ihre Familien verlassen und, ja, „leben jetzt zusammen“.
Sapperlot, denkt sich da der Dokumentarfilmer und baut – wie etwa Doku-Debütant Till Harms – seine Kamera auf.
Doch je länger man dem Film mit seinen (offenbar nicht nur für den Zuschauer) kräftezehrenden Gesprächen beim Stasi-Akten-Blättern und Stasi-Schulungsfilm-Angucken, beim Bier mit dem Ex-Mann usw. zusieht, desto unbehaglicher wird's: Gerade weil sich Harms' Observation derart zurückhält, dass man gar nicht weiß, wo und wieso manche Beobachtung entstand, erscheint das Vergangenheitsbewältigen dieser beiden Menschen wie ein böses Langzeit- und Beziehungsexperiment und womöglich viel schlimmer als die streitbare Harmonie, die das Paar präsentiert. Wird hier die TV-Veröffentlichung zum neuesten Kick in einem verqueren Psycho-S/M-Spielchen? Regina wurde 1981 zu etwa drei Jahren verknackt – Weichei Uwe 1997 etwa zu lebenslänglich?
Dann allerdings wäre „11 und 12“ (übrigens ein Liebes-Code aus U-Haft-Zeiten) bloß beziehungsdramatische Dutzendware – und damit nicht aufschlussreich, sondern so beliebig wie ein Guckloch in der Wand zur nachbarlichen Wohnung.
Christoph Schultheis
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