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■ Der deutsche General Reinhard hat das Kommando über die KFOR übernommen
Sarajevo (taz) – Ein Deutscher wird Kommandeur der internationalen KFOR-Truppen im Kosovo – und offiziell heißt es, mit General Klaus Reinhard an der Spitze werde nur ein routinemäßiger Wechsel vollzogen. Die Deutschen seien jetzt eben dran, sagen die Sprecher der KFOR, als sei dieser Umstand das Selbstverständlichste auf der Welt. Die deutschen Truppen seien integraler Bestandteil der Nato-Truppen und als solche auch in der obersten Kommandostruktur der KFOR repräsentiert.
In Wirklichkeit bedeutet dieser Wechsel aber ein einschneidendes Ereignis. Wer konnte sich vor fünf Jahren vorstellen, dass einmal internationale Truppen im Kosovo und dann noch unter deutschem Kommando stehen würden?
„Wenn ich es nicht sehen würde, ich könnte es nicht glauben,“ sagte kurz nach dem Einmarsch der Nato-Truppen in Prizren der US-amerikanische Journalist jüdischer Abstammung Roy Gutman mit Blick auf die deutschen Panzer. „Deutsche Truppen in einem Land, das zu Serbien gehört, das ist schon ein Ding.“
Das schwarze Kreuz der Bundeswehr erinnerte nicht nur Gutman an jenes der Wehrmacht – und damit an die Geschichte des Zweiten Weltkrieges in der Region. Dass die Bevölkerung aber den deutschen Truppen in Kosovo wie schon zuvor in Bosnien-Herzegowina zujubelte, gehört zu jenen Erfahrungen der letzten Monate und Jahre, die wie kaum andere Ereignisse den Wandel in der politischen und militärischen Rolle Deutschlands aufzeigen.
Noch 1991/92 stand Deutschland in den Augen der alten Siegermächte des Zweiten Weltkrieges als Buhmann da. Die von Hans-Dietrich Genscher betriebene Politik der diplomatischen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens wurde in den Öffentlichkeiten Frankreichs, Großbritanniens, der USA und Russlands als Einmischung empfunden.
Die offizielle serbische Propaganda ließ damals zudem nichts unversucht, das westliche Vertrauen in Deutschland zu unterminieren. Indem sie jedoch Deutschland als das „Vierte Reich“ hinstellte, das mit den „kroatischen Ustaschen“ und den „muslimischen Fundamentalisten“ paktierte, um die „Freiheit Serbiens“ zu untergraben, überspannte sie den Bogen. Nach und nach wurde auch in Washington, Paris und London der Krieg neu interpretiert. Es setzte sich die Meinung durch, dass es sich bei dem Krieg in Kroatien 1991 um einen Aggressionskrieg Belgrads gehandelt hatte, dass die jugoslawischen Truppen 1992 eine Politik des Völkermords an den bosnischen Muslimen betrieben hatten, dass ab 1993 serbisches und kroatisches Militär sogar gemeinsam die Aufteilung Bosniens erzwingen wollten.
Das Misstrauen gegenüber Deutschland schwand. Deutschland begann politisch und militärisch wieder eine größere Rolle zu spielen – die Bundeswehr wurde nach und nach in die internationalen Aktivitäten auf dem Balkan integriert. Während deutsche Blauhelme bei dem Einsatz von Friedenstruppen in Kroatien 1992 noch nicht erwünscht waren, selbst wenn es das Grundgesetz erlaubt hätte, so änderte sich schon 1993 das Bild. Die Sonderrolle Deutschlands wurde bei den westlichen Mächten zunehmend abgelehnt. „Wir müssen den Kopf hinhalten und ihr haltet euch vornehm zurück“, war eine damals von britischen, französischen und holländischen Blauhelmsoldaten geäußerte Meinung in Bosnien. Der Druck auf Deutschland wuchs, innenpolitisch die Weichen für den Einsatz deutscher Truppen im Ausland zu stellen.
1995 war es so weit. An der kroatischen Küste, in Trogir, stationiert, entstand ein deutsches Feldlazarett zur Versorgung der UN-Blauhelme in Bosnien. Kurz nach dem Abkommen von Dayton im November 1995 wurden dann deutsche Truppen Teil der internationalen Ifor-Truppen (später SFOR). Sie durften jedoch zunächst noch nicht nach Bosnien-Herzegowina einrücken, sie hatten lediglich die Aufgabe, die Logistik der Briten zu unterstützen.
Bosnien-Herzegowina wurde damals in drei Sektoren aufgeteilt, den US-amerikanischen, den britischen und den französischen Sektor. Truppen aus anderen Ländern – auch die russischen – wurden diesen Truppen unterstellt. Im Frühsommer 1996 rückten deutsche Soldaten nach Sarajevo ein, sie waren aber wie die Italiener den Franzosen unterstellt und operierten lediglich in Teilen des französischen Sektors – vor allem mit muslimischer oder kroatischer Mehrheitsbevölkerung.
Im Kosovo sind Deutschland und auch Italien nun gleichberechtigt in den Kreis der wichtigsten Mächte aufgerückt. Dass russische Truppen im deutschen Sektor unter deutschem Befehl stehen, zeigt wie kein anderer Umstand, dass die Konstellation der Nachkriegsära endgültig überwunden ist. Auch ideologisch. Die serbische Propaganda gegen Deutschland wird bei den Alliierten nicht mehr ernst genommen. Erich Rathfelder
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