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Mauer gewählt ■ CDU und PDS haben zugelegt
Wenn die gestrige Berlin-Wahl zwei klare Gewinner hat, dann hat sie auch zwei klare Verlierer zu Tage gebracht. Die Sieger heißen Eberhard Diepgen samt seiner CDU und natürlich –PDS. Zu den Verlieren zählt, neben den üblichen Verdächtigen wie dem chancenlosen SPD-Kandidaten Walter Momper, die Stadt als Ganzes und ihre Zukunftsfähigkeit.
Vier Jahren Großer Koalition werden wohl erneut fünf Jahre zäher Kompromissarbeit zweier Partner folgen, die wie alte Ehepaare beim Frühstück agieren. Vom Willen zum Experiment und vom frischenWind politischer Reformen dürfen wir uns verabschieden. Was kommt, kennt man: die Krankenhausreform und andere revolutionäre Entscheidungen.
Viel schlimmer als die Stagnation großer Koalitionspolitik indessen ist, dass die Mehrzahl der Wähler einmal mehr die Stadt in West und Ost gespalten haben. Die CDU hat fulminant im Westen zugelegt, so wie es Diepgen sich gewünscht hat. Mit „Diepgen rennt“ ging man in den Wahlkampf. Gerannt ist der Regierende mit routinehafter Sicherheit um einen Zehlendorfer See für die Klientel, die dort den Mief der Frontstadtzeiten pflegt. Getourt ist er aber auch im Wedding und in Neukölln, wo man sich vor bundespolitischen Sparbeschlüssen ebenso fürchtet wie vor Ausländern, Jugendlichen, Arbeitslosigkeit oder allzu lascher Justiz- und Drogenpolitik.
Zwar ist es Diepgen weitaus besser gelungen als der SPD, sich mit der Politikvermittlung der Hauptstadt zu profilieren. Die östliche Stadt oder gar die östliche Peripherie hat er aber nicht erreicht.
Die gehört weiterhin der PDS, die die spezifische Ostidentität nährt und zugleich von Schröders Schwäche profitiert, sich auf Themen wie die soziale Gerechtigkeit zu besinnen. Zwar glaubt Lothar Bisky mit dem kleinen Stimmenzuwachs für die PDS in den Westbezirken der Stadt schon die Mauer in den Köpfen der Ost- und Westberliner wegreden zu können. Schaut man die westlichen PDS-Wähler aber genauer an, versteckt sich hinter ihnen zum Teil noch mehr nostalgische Sehnsucht nach der Nische Ost, als der Heimatverein PDS jemals besessen hat. Rolf Lautenschläger
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