■ Kommentar: Bayern gewinnt Die Demokratie ist in der CSU nicht mehr zu bremsen
Früher, ja früher einmal war alles besser. Da konnte Franz Josef Strauß selig Affären über Affären anhäufen und wurde gerade dafür auf CSU-Parteitagen mit Traumergebnissen belohnt. Da durfte sich der arg gebeutelte Bundesfinanzminister Theo Waigel 98,3 Prozent Zustimmung als Chef der Christsozialen abholen. Da kam sein Rivale und Nachfolger Edmund Stoiber immer noch auf gute 93,4 Prozent Zustimmung unter den Delegierten. Und heute: Der Ministerpräsident muss fortan mit erbärmlichen 90 Prozent leben – was für ein Denkzettel.
Das ist natürlich kompletter Blödsinn. Zwar mag früher für die CSU alles Mögliche besser gewesen sein, doch der CSU-Parteitag vom Wochenende zeigt vor allem eines: Die bayerische Regierungspartei befindet sich auf dem richtigen Weg. 90 Prozent für Stoiber heißt: Auch ein CSU-Chef kann nicht mehr einfach machen, was er will, ohne dass das Konsequenzen, und seien es nur ausgesprochen geringfügige, in der Partei hat. Ganz offensichtlich hat sich das christsoziale Parteivolk von seiner Führung erstaunlich weit emanzipiert, so weit, wie das auch in anderen deutschen Bundesländern seit längerem der Fall ist.
Dieser wohl tuende Schritt hin zu mehr innerparteilicher Demokratie geht einher mit der Normalisierung bayerischer Politik insgesamt: LWS-Affäre, Sautersche Kapriolen, Ministerin Hohlmeiers Schweigen zu angeblichen Zuwendungen an den Strauß-Clan – das alles sind erst mal Zeichen dafür, dass Affären nicht nur geschehen, sondern sogar bekannt werden. Und – das ist neu! – Konsequenzen gezogen werden. Wer hätte sich denn früher über ein paar hundert Millionen verloren gegangene Mark aufgeregt? Ja, wer hätte davon überhaupt etwas erfahren? Heute aber muss nicht nur der zuständige Minister (Sauter) gehen, sondern auch der Ministerpräsident persönlich gerät mächtig unter Druck, nur weil die landeseigene LWS 300 Millionen Mark in den ostdeutschen Sand setzt. Nicht einmal der bayerische Defiliermarsch durfte noch zu Beginn des CSU-Parteitags erklingen!
Wir konstatieren: Der Freistaat Bayern ist ein stinknormales Bundesland, und die CSU ist eine ganz normale Partei mit durchschnittlichen Affären und einem durchschnittlichen Personal. In diesem Sinne: Gott mit dir, du Land der Bayern!
Klaus Hillenbrand
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