Das Scheitern der Wessi-Partei

Sicher, der Bundestrend hat zu den grünen Verlusten in Berlin erheblich beigetragen. Doch die Grünen haben es auch nicht geschafft, in Ostberlin Fuß zu fassen. Es fehlen Ost-Führungskräfte  ■   Aus Berlin Dorothee Winden

Mit den schweren Verlusten im Ostteil der Stadt ist nun auch die größte Schwäche der Berliner Grünen offenkundig geworden. Fast die Hälfte ihrer WählerInnen hat die Partei dort verloren. „Im Ostteil der Stadt sind die Wählerbindungen an Parteien nicht so stark“, erklärte sich die stellvertretende Fraktionschefin Sibyll Klotz den Einbruch der Grünen.

Anders als im Westteil der Stadt, wo die Stammwählerschaft den Bündnisgrünen auch in der Krise treu blieb, gehen die grünen Wähler im Osten schneller verloren. Die Enttäuschung über die grüne Haltung im Kosovo-Krieg und ein zu schwaches soziales Profil der Grünen macht Klotz ebenfalls für die Verluste verantwortlich.

Doch das entscheidende Manko der Grünen ist ihr Mangel an prominentem Personal aus dem Ostteil der Stadt. Sie lassen sich an einer Hand abzählen. Neben Sibyll Klotz ist noch Landesvorstandssprecher Andreas Schulze in einer herausgehobenen Position tätig. Viele andere haben den Sprung aus der zweiten Reihe nicht geschafft.

So bleibt für die Wähler im Ostteil der Eindruck, die Grünen seien eine Westpartei. Der Eindruck wurde verstärkt durch einen „Westwahlkampf“, so Klotz. Die Spitzenkandidaten Diepgen (CDU), Momper (SPD) und Künast (Grüne) repräsentierten das Berlin der späten Achtzigerjahre.

Die Grünen haben es in den letzten Jahren versäumt, Personal aus dem Ostteil der Stadt aufzubauen. „Man müsste gezielt in den Bezirken Leute ansprechen“, sagt Sibyll Klotz. „Da muss der Landesvorstand ran.“ Doch auch auf Bundesebene sei versäumt worden, Ostpolitiker aufzubauen. „Eine Röstel alleine reißt es nicht.“

Auch die These, es gebe bei den Wählern keine Schnittmenge zwischen PDS und Grünen, hat sich nach Ansicht von Klotz als falsch erwiesen. Es gebe gerade unter den Mittzwanzigern viele, die ihre Erst- und Zweistimme auf Grüne und PDS verteilen. „Die haben keine Ressentiments gegenüber der PDS, da sie beim Fall der Mauer gerade mal zwölf waren.“

Auch bei den jugendlichen Wählern haben die Grünen verloren. Für Jugendliche sei es nicht mehr attraktiv, sich bei den Grünen zu engagieren, stellte die Grüne Jugend Berlin gestern fest. Ein Defizit, das die grüne Spitzenkandidatin Renate Künast angehen will. „Wir müssen uns überlegen, wie wir Jugendlichen einen Einstieg bei den Grünen ermöglichen.“

Die Berliner Grünen wollen sich künftig auch auf Bundesebene stärker einmischen, erklärte Landesvorstandsprecherin Regina Michalik. Bei einer Landesdelegiertenkonferenz am Mittwoch wird eine heftige Debatte über den derzeitigen Kurs der Bundespartei und das Agieren der Bundestagsfraktion erwartet. „Man fragte sich oft, wofür kämpfen die Grünen eigentlich“, sagte Künast gestern. Klotz forderte, die Grünen dürften nicht schon mit einem Kompromiss in Gespräche mit dem Koalitionspartner hineingehen, sondern müssten hart verhandeln.

Die Grünen sollen wieder kämpferisch werden. So hatte das Antrittsgeschenk, das 18 Abgeordneten überreicht bekamen, auch höchst symbolische Bedeutung. „Der Kaktus soll sie daran erinnern, dass das Wappentier der Berliner Grünen der Igel ist“, sagte Michalik. „Wir müssen auch in der Opposition stachelig bleiben.“