Vergebliche Appelle Bill Clintons

■  Republikaner wollen das Atomteststopp-Abkommen im US-Senat scheitern lassen. Ein unpopulärer Schritt: 82 Prozent der US-Bürger befürworten die Ratifizierung des Vertrags

Chirac, Blair und Schröder appellierten in der „New York Times“ an die USA: Ratifiziert den Atomteststopp-Vertrag!

Berlin (taz) – Dieser Vertrag schade den Interessen der USA und müsse von Grund auf neu verhandelt werden, sagt Trent Lott, der republikanische Fraktionsführer im US-Senat. Das gleiche meint Jesse Helms, der ultrakonservative Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses. Hinter sich haben sie die meisten republikanischen Kollegen im Senat, die den Atomteststopp-Vertrag (CTBT) ebenfalls ablehnen und mit Freude die Chance ergreifen, Präsident Clinton eine empfindliche außenpolitische Niederlage zu bereiten.

Eine Abstimmung über den seit zwei Jahren dem Senat vorliegenden Vertrag wurde für heute angesetzt. Sollte sie tatsächlich stattfinden, würde Clinton sie verlieren, denn die für die Ratifizierung erforderliche Zweidrittelmehrheit käme nicht zustande. Mehrere Mitglieder seines Kabinetts forderten deshalb am Wochenende eindringlich eine Verschiebung der Abstimmung.

Der Rest der Welt schüttelt den Kopf über die Leichtfertigkeit, mit der Lott und Helms eines der wichtigsten Rüstungskontrollabkommen der letzten Jahrzehnte an den Rand des Scheiterns bringen. Die republikanischen Politiker, die ohnehin eine geringe Meinung von Rüstungskontrolle haben, argumentieren, dass das Abkommen nicht verifizierbar sei und ein Ende der Atomtests die Schlagkraft der US-Nuklearstreitmacht gefährde – eine Ansicht, die von amerikanischen und internationalen Experten bestritten wird. Längst lasse sich die Einsatzbereitschaft von Atomwaffen per Computer überprüfen, neue Tests seien nicht mehr nötig, denn sie können an heutigen Superrechnern mit ausreichender Genauigkeit simuliert werden. Außerdem könne die Einhaltung des Vertrags durch das vorgesehene weltweite Netz empfindlicher Messstationen überprüft werden. In einem dringenden Appell haben auch die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens am Freitag die USA aufgerufen, den Atomteststopp-Vertrag zu ratifizieren. In einem gemeinsamen Gastbeitrag in der New York Times schrieben Bundeskanzler Gerhard Schröder, Staatspräsident Jacques Chirac und Premierminister Tony Blair, die USA sollten mit gutem Beispiel vorangehen, den CTBT ratifizieren und damit den Druck auf noch zögernde Staaten weiter aufrechterhalten. Eine Ablehnung des Vertrages durch die USA werde die Weiterverbreitung von Atomwaffen begünstigen und zu einer Kluft im Nato-Bündnis führen, schrieben die drei europäischen Politiker. Die Proliferation von Nuklearwaffen bleibe eine der „hauptsächlichen Bedrohungen für die Sicherheit der Welt“.

Auch in den Vereinigten Staaten ist der Vertrag äußerst populär: 82 Prozent der US-Bürger sprachen sich im Juli in einer Umfrage für dessen Ratifizierung aus, lediglich 14 Prozent teilen die Position der republikanischen Senatsfraktion.

In den 50er- und 60er-Jahren waren tausende US-Soldaten und Südseebewohner bei den Atomtests der USA im Pazifik verstrahlt worden. Gegen die späteren unterirdischen Tests in Nevada hatten Friedensgruppen immer wieder protestiert. Das Ende des Kalten Krieges hatte dann ermöglicht, dass 1996 der CTBT ausgehandelt wurde. Rüstungsexperten erinnerten jetzt daran, dass die USA ein Jahr zuvor bei der unbefristeten Verlängerung des Atomwaffensperrvertrags zugesagt hatten, den Teststoppvertrag zu verabschieden.

Nach den Worten von Präsident Bill Clinton sei die außenpolitische Führungsrolle der USA gefährdet, sollte der Senat in Washington den Atomteststopp-Vertrag ablehnen. Mit dieser Warnung unterstrich Clinton am Wochenende seinen Appell an den Senat, die Abstimmung über den Vertrag von der Agenda abzusetzen. „Es steht viel auf dem Spiel“, sagte Clinton. „Wenn der Senat diesen Vertrag ablehnen würde, wäre es das erste Mal, seit er den Vertrag von Versailles abgelehnt hat, der den Völkerbund nach dem Ersten Weltkrieg begründet hat. Wir wissen alle, dass die Abwendung der USA von der Welt uns damals in die Depression und in den Zweiten Weltkrieg geführt hat.“

Die Senatoren müssten sich mehr Zeit nehmen, den Vertrag zu studieren und die Vorteile für die Sicherheit der Vereinigten Staaten und der Welt zu erkennen, forderte Clinton. Lott hatte für den Vertrag lediglich eine Woche Beratungszeit vorgesehen.

Das Abkommen ist bisher von 154 Staaten unterzeichnet und von 47 Staaten ratifiziert worden, darunter Deutschland. Es kann jedoch erst in Kraft treten, wenn 44 namentlich genannte Staaten, die über Atomreaktoren verfügen, es ratifiziert haben. Von diesen stehen neben den USA auch Russland, China und Israel noch aus.

Die Teilnehmer einer Konferenz von rund hundert Ländern riefen am Wochenende in Wien alle säumigen Staaten auf, den CTBT „so rasch wie möglich“ zu ratifizieren. Außenminister Joschka Fischer forderte dort Indien, Pakistan und Nordkorea auf, den Vertrag zu unterzeichnen. Außerdem sei es sehr wichtig, dass die Atomwaffenstaaten Russland, China und USA das Abkommen rasch ratifizieren. Stefan Schaaf