piwik no script img

Die Fans gehen, Juhnkes Gast bleibt

■ Nach Pfiffen und Buhrufen für die Soulsängerin Jocelyn B. Smith hat der Entertainer Harald Juhnke sein Auftakt-Konzert im Berliner Friedrichstadtpalast abgebrochen

Bislang hat ihm seine Berliner Fangemeinde noch alles nachgesehen. Dass seine Konzerte ausfallen, weil er sturztrunken im Koma beziehungweise im anschließenden Heilschlaf liegt. Oder dass er in Los Angeles einen schwarzen Wachmann in volltrunkenem Zustand als „dreckigen Nigger“ beschimpft haben soll.

Am vergangenen Montagabend jedoch ist der bekannte Berliner Entertainer und Schauspieler Harald Juhnke seinen Anhängern zu weit gegangen: Juhnke brach sein Konzert vorzeitig ab, weil das Publikum seinen Stargast, die afroamerikanische Jazz- und Soul-Sängerin Jocelyn B. Smith, mit Pfiffen am Weitersingen gehindert hatte. Das Konzert im Berliner Friedrichstadtpalast sollte der grandiose Auftakt einer vierwöchigen Abschiedstournee des 70-Jährigen sein.

Das Haus war mit 1.800 Plätzen ausverkauft. Besetzt waren die samtenen Stühle von einem Publikum deutlich jenseits der 50. Zu dem Eklat kam es nach der Pause, als nicht Juhnke, sondern Jocelyn B. Smith auf der Bühne erschien und fetzig losröhrte. Statt Begeisterung Pfiffe und Buhrufe. „Harald, Harald“, brüllte das Publikum. Smith hielt drei Titel tapfer durch, dann kam ihr Juhnke zu Hilfe. Er sagte nur: „Ich bin sehr traurig“, und sang dann demonstrativ mit Smith den Mackie-Messer-Song aus der „Dreigroschenoper“. Danach fiel der Vorhang – endgültig an diesem Abend. Aus dem Lautsprecher schallte die Durchsage: „Die Sängerin Jocelyn B. Smith war auf persönliche Einladung des Ehepaares Juhnke hier. Aus tiefer Enttäuschung über die Publikumsreaktion hat sich Harald Juhnke entschlossen, heute Abend die Bühne nicht mehr zu betreten.“ Eine ältere Frau soll gegiftet haben: „Den Alkohol haben ihm alle verziehen, aber das verzeiht ihm keiner.“ Das Publikum forderte tobend seine 80 Mark Eintrittsgeld zurück.

Gestern Mittag tagte der Krisenstab. Juhnkes Manager und seine Agenturen, die die bundesweite Abschiedstournee organisieren, bemühten sich um Schadensbegrenzung. Mit dabei waren dem Vernehmen nach auch Jocelyn B. Smith und Juhnke.

Nach dem Vorfall hatte der Entertainer den Abbruch der Vorstellung gegenüber dpa damit begründet, Smith sei sein Gast gewesen, „und Gästen gegenüber kann man sich nicht so benehmen, erst recht nicht in meiner Heimatstadt Berlin“. Dadurch fühle er sich auch persönlich angegriffen. Vor allem gegenüber einer Frau sei ein solches Verhalten verachtenswert. Juhnke sagte: „In diesem Fall ist mein Berliner Publikum leider durchgefallen.“ Er rechne fest damit, dass sich dies bei der Tournee nicht wiederhole. Seit gestern steht fest, die Tournee wird wie geplant mit Smith als Gaststar fortgesetzt.

Auf die Frage, warum seine Fans so reagiert haben, antwortete Juhnke ratlos: „Ich weiß nicht, was es war. Ist es die veränderte Stadt, sind es die Wahlen, vielleicht war auch Ausländerfeindlichkeit dabei. Oder war es einfach die erstklassige Soulmusik, die nicht alle im Saal mochten?“

An das Motiv Ausländerfeindlichkeit wollte man bei der Berliner Konzertagentur Zahlmann, die den Friedrichstadtpalast für die Veranstaltung gemietet hatte, nicht so recht glauben. „Ich habe den Eindruck, dass die eher älteren Leute nur ihren Harald Juhnke sehen wollten und niemanden sonst“, sagte Zahlmann-Mitarbeiter Manfred Müller zur taz. Aber niemand könne behaupten, nichts von dem Auftritt von Smith gewusst zu haben: „Ihr Name stand in den Anzeigen, wenn auch klein gedruckt.“

Dass Entertainer wie Publikum dermaßen auf die Barrikaden gingen, sei in der Branche „eher selten“, sagte Müller moderat. Auch gestern habe bei Zahlmann das Telefon nicht stillgestanden, weil immer noch Leute ihr Geld zurückverlangt hätten. Erfolg werden sie kaum haben. Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen