: Mit allen Mitteln des Kapitalismus
■ Am Montag startete CNN-Türk, ein Joint Venture von Time Warner Brothers und der Aydin-Dogan-Gruppe. Ihr Ziel ist die Eroberung des zentralasiatischen Medienmarktes
Ich bin stolz und glücklich, CNN-Türk in unserer Senderfamilie begrüßen zu können.“ Ted Turner brauchte nur zwei Minuten, um den Start des türkischen CNN-Senders vor dem versammelten politischen Establisment des Landes gebührend zu feiern.
Seit Montagabend ist CNN-Türk auf Sendung. Der Sender ist ein Joint Venture zwischen Time Warner Brothers, dem Mutterkonzern von CNN, und der Aydin-Dogan-Gruppe in Istanbul, dem größten Medienkonzern der Türkei. Obwohl sich die beiden Konzerne die Anteile teilen, ist die Mannschaft des neuen Senders rein türkisch. Lediglich Chefredakteur Mehmet Ali Birand hat einige Jahre Erfahrung in den USA sammeln können.
Die Dogan-Gruppe kontrolliert mit Hürriyet und Milliyet zwei der größten Tageszeitungen und ist mit Kanal D auch im privaten Fernsehen bereits prominent vertreten. Obwohl in der türkischen Presse vor dem Start von CNN viel über die Herausforderung durch den bevorstehenden Einbruch amerikanischer Standards auf dem hiesigen Medienmarkt geschrieben wurde, kann man davon ausgehen, dass hinter CNN-Türk ganz andere Interessen als die Verbreitung journalistischer Standards stehen.
Die Türkei ist für CNN von strategischem Interesse
Der amerikanische Ableger am Bosporus soll nicht zu einem Oppositions- und Dissidentenfunk werden, sondern von Istanbul aus den gesamten turksprachigen zentralasiatischen Markt aufrollen. Die Türkei ist für CNN von strategischem Interesse – man hofft, mit dem neuen Sender das turksprachige Publikum von Bosnien bis Kirgisistan erreichen zu können. Nicht umsonst wurden in die Eröffnungsgala Grußbotschaften der Präsidenten von Aserbaidschan und Kirgisistan eingeblendet. Erst mit dem Millionenpublikum der früheren asiatischen Sowjetrepubliken lohnt sich für CNN der Einstieg in diesen Markt.
Gleichzeitig wird der Sender aber auch zum Machtfaktor innerhalb der türkischen Öffentlichkeit, vor allem als Verstärkung für die Dogan-Gruppe. Der türkische Medienmarkt wird seit Jahren von zwei Konzernen beherrscht: der Dogan-Gruppe und der Sabah-Gruppe. In dieses Gleichgewicht ist seit einiger Zeit Bewegung gekommen, weil ein dritter Konzern versucht, sich einen Anteil des Kuchens zu sichern. Die Uzan-Brüder, Besitzer von Star-TV und einem gleichnamigen Boulevardblatt, haben Aydin Dogan und dem Sabah-Konzern den Kampf angesagt. Um Marktanteile für ihr Boulevard-Blatt Star zu sichern, attackieren die Uzan-Brüder die beiden anderen Konzerne unter Einsatz sämtlicher im Kapitalismus zur Verfügung stehender Mittel. Seit Wochen wird Star für rund 20 Pfennig verschleudert. Anzeigenkunden bekommen Rabatte, von denen sie bei den anderen Zeitungen nur träumen können, und das Käuferprublikum wird durch Promotionaktionen noch zusätzlich animiert. Mit viel Geld wurde der Verkauf von Star so auf über eine Million hochgepuscht.
Der Krieg der Medienkonzerne erreichte einen Höhepunkt, als Star auf einen Schlag mehr als 200 Angestellte des Sabah-Vertriebskonzerns wegkaufte, um einen eigenständigen landesweiten Verkauf auf die Beine zu stellen. Sabah und Dogan schlugen zurück. Kioskbesitzer wurden unter Druck gesetzt, Star nicht mehr zu verkaufen. Seitdem wird Star in großen Stapeln auf öffentlichen Plätzen durch Handverkäufer vertrieben, und der Konzern geriert sich als Opfer des Monopolkapitalismus, der die publizistische Vielfalt nicht zulassen will. Dabei sind die Hauptprodukte der drei konkurrierenden Konzerne, Hürriyet, das Flaggschiff der Dogan-Gruppe, Sabah, die Tageszeitung des gleichnamigen Medienkonzerns, und eben Star, allesamt Produkte des gleichen Geistes, Fleisch vom selben Fleische: konservative, nationalistische Boulevardblätter, angesiedelt irgendwo zwischen Bild und Welt am Sonntag.
Im Konkurrenzkampf sterben Qualitätszeitungen
Die wirklich Leidtragenden dieses gnadenlosen Konkurenzkampfes sind die wenigen Qualitätszeitungen auf dem türkischen Markt. Das unabhängige Intelligenzblatt Cumhurriyet ist im Vergleich zu den Dumpingpreisen der Konkurrenz geradezu unverschämt teuer, und die publizistisch anspruchsvolle Tageszeitung aus dem Hause Dogan, Radikal, dümpelt vor sich hin, weil der Verlag kein Geld mehr in sein intellektuelles Vorzeigeprojekt steckt. Das publizistisch anspruchsvolle Produkt der Sabah-Gruppe, Yeni Yüzyil, ist bereits vor Monaten eingestellt worden. In dieser prekären Situation kommt dem Boss der Bosse der türkischen Medienszene, Aydin Dogan, das Joint Venture mit CNN gerade recht: CNN ist ein großer Imagetransfer für einen Medienkonzern, der Gefahr läuft, in der Schlacht um Marktanteile das letzte Mäntelchen publizistischer Verantwortung fallen zu lassen. Jürgen Gottschlich
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