: SPD will Vermögenden Gerechtigkeit abverlangen
■ Eine Arbeitsgruppe kämpft aber mehr mit den Rechtsbedenken gegen Vermögenssteuern
Berlin (taz) – In den Vereinigten Staaten wäre die ganze Verwirrung gar nicht erst entstanden. Dort sind Vermögenssteuern eine Selbstverständlichkeit. Dafür zahlen die US-Bürger viel niedrigere Steuersätze auf ihr Einkommen als in Deutschland.
Hier aber gibt es Streit darum, ob und wie Vermögende an der Finanzierung des Sparpakets der rot-grünen Bundesregierung beteiligt werden können. 30 Milliarden Mark werden im Bundesetat für das Jahr 2000 eingespart. Da erwarten viele, dass auch aus den ungeheuren Privatvermögen ein Beitrag geleistet wird. Ein Viertel des auf knapp sechs Billionen Mark geschätzten Geldvermögens konzentriert sich auf nur fünf Prozent der deutschen Haushalte.
Bundeskanzler Gerhard Schröder, ein erklärter Gegner von Steuererhöhungen, hat sich von der SPD-Bundestagsfraktion ein Zugeständnis abhandeln lassen. Auch „große Vermögen“, so wurde in den Leitantrag für den SPD-Parteitag im Dezember eingefügt, sollen „ihren Beitrag für die Sicherung der Zukunft unserer Gesellschaft leisten“. Offen ist, welches konkrete Instrument das sein soll – Vermögensabgabe, Vermögenssteuer oder Erbschaftssteuer.
Aber auch der Kanzler hat eine Bedingung gestellt. Der Beitrag der Vermögenden solle nicht mit dem Zukunftsprogramm (Sparpaket) verknüpft werden. Gesondert, allenfalls in zeitlicher Nähe zum Haushaltsgesetz, dürfe der Parteitag der Sozialdemokraten seine Vorstellungen zu sozialer Gerechtigkeit formulieren. „Es bleibt dabei“, konnte Schröder denn auch gestern wieder sagen – jedes Wort genau abwägend –, „wir werden dieses Zukunftsprogramm im Bundestag ohne Steuererhöhungen durchsetzen.“
Unterdessen bastelt eine Arbeitsgruppe der SPD an steuerlichen Instrumenten, mit denen den Vermögenden im Land ein Obolus abverlangt werden kann. Bislang drang wenig Konkretes aus der Arbeitsgruppe – außer, dass sie wild entschlossen sei, die SPD nach den Wahlschlappen wieder als sozial gerechte Partei erscheinen zu lassen.
Geleitet wird die Arbeitsgruppe von Joachim Poß. Der hat ein doppeltes Mandat: Er ist Steuerexperte der SPD-Bundestagsfraktion – und leitet zugleich den SPD-Bezirk Westliches Westfalen, den größten in der Republik. Alle vier nordrhein-westfälischen SPD-Bezirke wollen beim Parteitag in Berlin Druck machen: „Die Bundesregierung muss hohe Einkommen mit angemessenen Beiträgen zur Finanzierung gesamtstaatlicher Aufgaben heranziehen“, haben sie in ihren Parteitagsantrag geschrieben – unter dem poetischen Titel: „Orientierung in stürmischen Zeiten“.
Die Poß-Kommission hat freilich ein hartes Stück Arbeit vor sich. Alle drei Steuerinstrumente, die sie prüfen soll, haben ihre Eigenheiten:
Die Vermögenssteuer, die dem Fiskus zuletzt knapp neun Milliarden Mark brachte und 1997 auslief, gilt politisch als kaum durchsetzbar. Ihre Einkünfte würden in die Kassen der Länder fließen. Also erwartet Finanzminister Eichel (SPD), dass die Länder sie auch in den Bundesrat einbringen. Die aber wollen nicht. Zudem gibt es Unstimmigkeiten darüber, ob die Vermögenssteuer verfassungsrechtlich überhaupt zulässig ist.
Die Vermögensabgabe steht beinahe unzweifelhaft vor hohen verfassungsrechtlichen Hürden. Die Abgabe müsste zeitlich befristet sein, und sie dürfte nur für einen bestimmten Zweck erhoben werden. Das Ziel, „Bildung und Forschung“ zu fördern, wäre nach Aussage von Gutachtern nicht verfassungsfest.
Die Erbschaftssteuer schließlich, die zuletzt ein Aufkommen von 4,8 Milliarden Mark hatte, wird bereits von einer Bund-Länder-Kommission überprüft. Das Verfassungsgericht bemängelte 1995, dass vererbtes Grundvermögen zu gering besteuert werde. Für Beobachter gilt daher als am wahrscheinlichsten, dass es diese Steuer sein wird, die erhöht wird – um wenigstens symbolisch einen Beitrag aus großen Vermögen für die Spargesetze zu erhalten.
Der bündnisgrüne Koalitionspartner sieht dem Treiben der SPD skeptisch zu. Es sei nicht klug, jetzt über Steuererhöhungen zu diskutieren. Zudem könne man privaten Vermögenssteuern durch Umdeklarierung in Betriebsvermögen allzu leicht entkommen.
Die Grünen schlagen daher vor, eine Art legales Steuerschlupfloch zu schaffen – für kulturelle, bildungspolitische oder soziale Zwecke. Wer dafür vererbtes Geld in einer Stiftung anlegt, soll künftig von der Erbschaftssteuer befreit sein. „Die Vermögenden sollen ruhig stiften gehen – und zwar nicht aus dem Land, sondern zu guten Zwecken in die Gesellschaft hinein“, freut sich der Abgeordnete Klaus Müller über die Idee.
Abgeguckt wurde sie – in den Vereinigten Staaten. Dort gibt es fünfmal so viele Stiftungen wie hier. Christian Füller/pab
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