: Der Brühlerin Beschäler
■ Nutella und Tränen: Bislang taugte das deutsche Tennis nicht zum Glamour. Das „Traumpaar“ Steffi & Andi hat das gehörig geändert
Das Interessanteste an der Frau war ja immer ihr „Vater Graf“ (Bild), und das will was heißen, denn dieser Pantoffelheld seiner Provinzaffären (Nacktmodell Niekohle – etwa schon vergessen?) gibt eine derart unglückliche Figur ab, dass Menschen mit Herzensbildung lieber gar nicht erst in seine Richtung blicken.
Ja, das „deutsche Tennis“ (Bild et al.) taugte nicht zum „Glamour“ (Bunte et al.). Boris Becker leckte sein Nutella-Messer ab, Michael Stich heulte am Muttertag – und Stefanie Graf? War mit einem, Verzeihung, Langweiler befreundet, der mit dem Auto im Kreise herumfährt. Das gab nichts her.
Nun aber ist der mediale Super-GAG (größter anzunehmender Glücksfall) passiert. Die „Brühlerin“ (Sportbild et ca. 137 al.), deren Bodenständigkeit einem schier die Gähn-Tränen in die Augen treiben konnte, die „Gräfin“ (Bild, Bunte, Sportbild et al.) hat gleich nach dem sportlichen Rücktritt mit ihrer Liebesaffäre den Einstieg in die schöne, bunte Blätterwelt geschafft, in der ihr neuer Begleiter schon lange zu Hause ist. Immerhin agierte Agassi als Beschäler von Hollywoodgrößen wie Barbra Streisand einer- und Brooke Shields andererseits. Eine Villa, „24 Zimmer, komplett klimatisiert, Nobel-Fuhrpark, eigener Tennisplatz“ (BZ), ist eben auch nicht alles.
Interessant erscheint dabei, dass „Steffi“ (ARD, ZDF et al.) offensichtlich selbst mit der Nachricht des Bettenwechsels an die Öffentlichkeit gehen wollte, in der sie – zumindest theoretisch – seit dem Rückzug aus dem Tennis nicht mehr unbedingt zu Hause sein müsste. Ausgerechnet über die als seriös verschrieene Zeit ließ sie in puncto Ex-Freund Bartels verlauten: „Aber jetzt haben wir uns getrennt, und jeder wird seinen eigenen Weg finden.“ So reden, das nur nebenbei bemerkt, niemals die Verlassenen, sondern nur die Verräter mit dem schlechten Gewissen. Wahrscheinlich wollen sie auch „Freunde bleiben“ (Schröder, Lafontaine et al.).
Dass wir unsere „Königin“ (Bunte) an einen Hanswurst mit Weltgeltung verticken konnten, ist vielleicht eine Meldung wert. Im Grunde lautet aber die Nachricht unisono immer nur: „Vor aller Augen zeigen sie atemlos ihre Gefühle“ (für die Bunte: Sprachtorpedo Eva Kohlrusch), sie „zelebrieren vor der ganzen Welt ihre Liebe“ (dito), es „verkündete Agassi zum ersten Mal der ganzen Welt sein junges Glück“ (Bild). Und auch: „Steffi losgelöst (...) Noch nie ging sie so natürlich und ohne Angst mit Kameras, Blitzlicht und Journalisten um“ (Bild).
Als heimliches Thema offenbart sich die endgültige Vereinnahmung „unserer Steffi“ (alle et al.) in die große Medienfamilie, die auch deshalb so rauschhaft gefeiert wird, weil Graf sich zuvor durch einen Mangel an Nachrichtlichkeit entzogen hatte: weder überdurchschnittlich schön noch besonders schlagfertig, außerdem auf den Schutz ihres Privatlebens bedacht.
Die Frau verfügt einzig über eine anbetungswürdige Vorhand. Tennis-Fans genügt das, dem Rest der Welt aber nicht. Das „Liebespaar des Jahres“ (Bild), „Traumpaar des Jahres“ (Bild), die „Welt-Love-Story“ (Bild-Chefredakteur Udo Röbel), das „Sensationspaar“ (Hamburger Morgenpost) musste her. Warum nicht das Millennium-Paar? „Number one, männlich, liebt number one, weiblich!“ (Bunte) Hätte sie den Papst genommen, 's wär' nicht halb so schön. Die Hoffnung, dass sich die beiden Tennisspieler anlässlich des Grand-Slam-Cups gemeinsam in Deutschland zeigen, erfüllte sich nicht. Keine Bilder von der Wies'n, kein „Gräfin erklärt Tennisclown neuen Reichstag“. Stattdessen aber: „Haas düpierte liebestrunkenen Agassi“ (Hamburger Morgenpost). Haas, Haas, wer war das noch gleich?
Doch die Öffentlichkeit zieht stets das Geheimnis nach sich. Es muss noch etwas geben, das wir nicht wissen, aber vielleich morgen wissen könnten: „Liebesring, Verlobungsring? ... Insider glauben, dass sie den Ring von ihrem Freund Andre Agassi geschenkt bekommen hat“ (BZ).
Wo, fragt man sich, sitzen diese Insider? In ihr oder in ihm? Und vor allem: Was sitzt noch in ihr, der „Tennisgräfin“ (Bunte)? Denn das gemeinsame Kind „Stef-Ann“, von der taz im Scherz herbeigeredet, ließ die Hamburger Morgenpost bereits als computersimuliertes Foto anfertigen: ein kleines blondes Monster mit viel Nase und Überbiss, das wohl nur von seinem Computervater für „sehr niedlich“ gehalten wird.
Ja, es wird morgen etwas geben, das wir noch nicht wissen: „Steffi und Andre – Heirat unterm Brandenburger Tor?“ „Andre und Steffi: Verließ er sie wegen ihrer Mutter?“ „Steffi und Andre: Schüsse um Mitternacht ...“
Susanne Fischer
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