Rot-Grün skeptisch bei Frühverrentung

Der Kanzler sagt Ja zur Rente mit 60, aber rot-grüne Abgeordnete sehen junge Arbeitnehmer im Nachteil: Sie bezahlen die Frühverrentung, ohne davon zu profitieren. Parlament müsste Rentenalter senken  ■   Von Christian Füller

Berlin (taz) – Dem Salto rückwärts von Gerhard Schröder in die Rente mit 60 können nicht alle folgen. Die Rentenexpertinnen von SPD und Grünen im Bundestag zeigten sich gestern bass erstaunt darüber, dass der Kanzler die Frührente nun als „interessantes Modell“ bezeichnete. Beim großen IG-Metall-Kongress vergangene Woche hatte Schröder noch gesagt, es sei „nicht bezahlbar“, Arbeitnehmer ohne Teilverlust ihrer Bezüge vorzeitig aufs Altenteil zu schicken.

„Ich sehe Probleme bei der Belastung der jüngeren Generation“, monierte SPD-Fraktionsvize Ulla Schmidt gegenüber der taz. Sie stellte in Frage, ob jüngere Arbeitnehmer mit einem Teil ihrer Lohnsteigerungen für die Frühverrentung bezahlen sollten. Immerhin würden diese ja bereits dazu angehalten, eine zusätzliche private Vorsorge fürs Alter zu treffen und müssten zudem über Ökosteuern die Lohnnebenkosten senken. „Da steckt die Ungerechtigkeit drin.“

Für die Rente mit 60 Jahren sollen alle Arbeitnehmer einen halben Prozentpunkt ihrer Lohnsteigerungen in einen Tariffonds bezahlen – aus dem sich aber nur ältere Kollegen bedienen können. Das Modell ist auf fünf Jahre befristet. Darauf hatten sich Arbeitsminister Riester (SPD), IG Metall-Chef Zwickel und die Rentenversicherer geeinigt. Die Arbeitgeber müssten dem im Bündnis für Arbeit erst noch zustimmen. Die erklärten gestern aber, sie würden den Vorschlag „auf keinen Fall mittragen“. Ohne die rot-grüne Bundestagsmehrheit ist der Vorschlag aber ohnehin nicht umsetzbar, weil dafür die gesetzlichen Bestimmungen für das Rentenalter (derzeit 65 Jahre) geändert werden müssen.

Auch die grüne Rentenexpertin Katrin Göring-Eckardt äußerte sich skeptisch. Es kann nicht sein“, sagte sie, „dass den Jüngeren weitere Rentenlasten aufgebürdet werden, die nur Älteren zugute kommen.“ Die Bundestagsabgeordnete forderte, auch jüngeren Arbeitnehmern Möglichkeiten des „zeitweisen Aussteigens“ aus dem Berufsleben zu bieten. Etwa für so genannte Sabbaticals, das sind einjährige Pausenzeiten, oder für Fortbildungen.

Göring-Eckardt und Schmidt bezweifelten auch die Arbeitsplatzeffekte, die der Rente mit 60 zugeschrieben werden. Frühere Frühverrentungsmodelle hätten gezeigt, dass die Arbeitgeber nur ein Bruchteil der von älteren Beschäftigten geräumten Arbeitsplätze wieder neu besetzen. „Wir müssen verhindern, dass die Rente mit 60 für Arbeitgeber billiger als ein Sozialplan wird“, gab Ulla Schmidt zu bedenken.

Beim Institut für Arbeitsmarktforschung in Nürnberg wies man auf die Gefahr eines „altersbedingten Einstellungsstaus hin, der nach Ablauf der Maßnahme eintritt“. Wenn man das Instrument wolle, sagte Arbeitsmarktforscherin Barbara Koller, „dann darf man es nicht zeitlich begrenzen“. Sonst steigt das Rentenalter nach fünf Jahren wieder auf 65 – und in der Folgezeit seien die Zugänge in die Betriebe jahrelang blockiert.