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„Eines Morgens in aller Frühe“

■ Die Fotoausstellung „Partigiani“ dokumentiert den Widerstand der italienischen Resistenza gegen Faschismus und Besatzung

Nach reichlich Rotweingenuss intonieren alte 68er auch heute noch gerne Lieder wie „Bella Ciao“. Von der konkreten Geschichte des antifaschistischen Widerstandes in Italien konnten sie jüngeren Generationen jedoch kaum mehr vermitteln als linke Folklore.

Um diese Lücke zu füllen, haben die gewerkschaftsnahe Bildungseinrichtung Arbeit und Leben und die Projektgruppe Memory die Ausstellung Partigiani nach Hamburg geholt. In der Gasse „Krameramtsstuben“ am Michel – zwischen schnieken Restaurants und Läden, die mit Hanseatenkitsch Touristennepp betreiben – sind Fotos und Texte des norditalienischen „Instituts für die Geschichte der Resis-tenza und Zeitgeschichte“ zu sehen.

Niederlagen an der Front und Streiks im Innern brachten den italienischen Faschismus ins Wanken. Im Sommer 1943 setzte die Monarchie Mussolini ab und handelte mit den Alliierten einen Waffenstillstand aus. Die Wehrmacht besetzte die noch nicht von den Alliierten kontrollierten Gebiete und restaurierte den Faschismus. Für die Bevölkerung bedeutete dies eine Verschärfung der Ausbeutung und Unterdrückung, für die italienischen Juden Vernichtung. Aus anfänglich spontanem Widerstand entwickelte sich die Resistenza – bis zu 300.000 bewaffnete Männer und Frauen, deren Kampf an der Niederlage der Nazis in Italien erheblichen Anteil hatte.

Die für ein deutsches Publikum konzipierte Ausstellung versteht es, einzelne Ereignisse und historische Zusammenhänge auf gut 50 Tafeln zu einem plastischen Gesamtbild der Resistenza zusammenzufügen. Einführend werden der italienische Faschismus und die deutsche Besatzung verständlich dargestellt. Die Kriegsführung der Partisanen, die Massaker der Nazis und italienischen Faschisten an der Zivilbevölkerung und die aktive Rolle von Frauen im Widerstand sind einige der anschließenden Themenkomplexe.

Dabei wird die Resistenza keineswegs mythologisch verklärt oder vereinheitlicht: Die internen Konflikte zwischen der kommunistischen Mehrheit, die den Widerstand als Teil des Klassenkampfs begriff, und den übrigen Gruppierungen kommen ebenso zur Sprache, wie regionale Besonderheiten. Auch die vereinzelte Anwendung von Folter wird erwähnt – aber nicht ohne in das richtige Verhältnis zum Vorgehen der Faschisten gesetzt zu werden. Denn dort ist Terror nicht die Ausnahme sondern Prinzip gewesen.

Neben Fotos aus dem Partisanenkrieg sind zudem faschistische Propagandaplakate zu sehen, die die ideologische Verzweiflung des zerfallenden Regimes illustrieren. Dem politischen Kampf um das Erbe der Resistenza im heutigen Italien hätte allerdings mehr Raum eingeräumt werden können – bildet die Existenz eines Widerstands dort den Gründungsmythos der Nation. Für die hiesige Auseinandersetzung mit der Geschichte des Faschismus bleibt jedoch schlicht zu hoffen, dass die Ausstellung noch ein größeres Publikum erreicht. Michael Müller

bis zum 22. Okt., Krayenkamp 10/11, 16 bis 19.30 Uhr, Sa/So 14 bis 18 Uhr, Infos Tel.: 28401615/27

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