: Der kleine Horrorladen soll es machen
Acht Jahre Große Koalition sind mehr als genug. Die Debatte über die Zukunft der Stadt gehört wieder ins Parlament. Die SPD muss den Neuanfang wagen. Ein Plädoyer für einen Minderheitssenat der CDU ■ Von Gereon Asmuth
Das Szenario für einen CDU-Minderheitssenat. Ein Horrorkabinett? Mag sein. Und dennoch liegt darin die einzige Chance, Berlin aus der Agonie einer Großen Koalition zu befreien. Neun Jahre Stillstand sind genug. Denn Politik bedarf nicht nur des alles verwischenden Kompromisses einer breiigen Mitte, sondern klarer Polarisierung.
Über die Zukunft der Stadt wird seit Jahren nur noch hinter den verschlossenen Türen der Koalitionsgremien entschieden. Die Debatte gehört wieder ins Parlament. Ein Minderheitssenat würde dies garantieren. Denn die CDU müsste bei jeder Gesetzesnovelle um die Unterstützung einer Partei werben. Hierzu gehört auch die Verteilung der Haushaltsmittel. Angst muss daher niemand vor einer CDU-Alleinregierung haben. Denn SPD, Grüne und PDS könnten gemeinsam jeden Ausrutscher der CDU abblocken.
So würde zwar in einem Minderheitssenat mit ziemlicher Sicherheit Verkehrsenator Jürgen Klemann mit seiner autoorientierten Politik Senator werden. Und auch Eckart Werthebach dürfte sich weiter an Law-and-Order-Politik probieren. Allerdings dürfte es ihnen schwer fallen, ihre Vorstellungen im Parlament durchzusetzen. Keine der anderen Parteien wäre mehr in eine Koalitionsräson eingebunden und somit dazu verdammt, eine Position mit zu tragen, die weder im Parlament noch in der Stadt eine Mehrheit hat.
Dennoch bliebe die CDU-Regierung handlungsfähig. Ihr fehlen nur 9 Stimmen zur absoluten Mehrheit im Parlament. Bei jeder Abstimmung bräuchte sie folglich nur eine der drei Oppositionsparteien für sich zu gewinnen. Das muss nicht unbedingt die SPD sein. Selbst die auf 18 Sitze geschrumpfte Grünen-Fraktion würde als Mehrheitsbeschafferin reichen. Und vielleicht ließe sich sogar das „soziale Gewissen“ der PDS für das „Sparen mit Augenmaß“ erwärmen, mit dem die CDU in den Wahlkampf zog.
Die Stadt ist folglich nicht nur unter einer stabilen Mehrheit der Langeweile regierbar. Eberhard Diepgen (CDU) hält zwar einen Minderheitensenat für „nicht verantwortbar“. Aber das sagt er nur, um die SPD unter öffentlichen Druck zu setzen, mit ins Boot zu kommen. Schließlich fürchtet Mr. 64,9-Prozent nichts mehr, als in einer Minderheitsregierung von seiner parteiinternen Oppposition abhängig zu sein.
Welche Partei am meisten von einer CDU-Alleinregierung profitieren würde, ist offen. Die CDU hat die Chance, sich als der große Moderator aufzupielen, der nur an den Widerständen der Opposition scheitert. Das wäre die Grundlage, um bei den nächsten Wahlen eine absolute Mehrheit zu erreichen. Die SPD könnte wieder eigenes Profil gewinnen, wenn sie sich wirklich als Opposition zur CDU begreift und nicht nur aus alter Gewohnheit den Mehrheitsbeschaffer spielt. PDS und Grüne könnten sich durch eine akzentuierte Zusammenarbeit mit der CDU aus der Rolle der Kritikaster lösen.
Und die „Volksfront“ aus SPD, PDS und Grünen bekäme die Chance, sich öffentlich von dem gemeinsamen „Feindbild“ CDU abzugrenzen. Eins wäre jedenfalls sicher. Statt stabiler Verhältnisse gäbe es bei einer Minderheitsregierung eine Stabilität der politischen Spannung.
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