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■ NachgekramtSekretärin für Stuby

Über das Wirken von Prof. Stuby / Ein alter Kontrahent erinnert sich ...

Die Geschichte schreibt die schönsten Geschichten: Es ist fast auf den Tag 25 Jahre her, das in der damals gern gelesenen maoistischen „Kommunistischen Studentenpresse“ eine Glosse unter dem Titel „Gebt Stuby eine Sekretärin“ erschien. Anlass war , dass der frisch gekürte Konrektor Stuby auf der Zuteilung einer exklusiv für ihn arbeitenden Schreibkraft bestand. Das war gleich doppelt pikant: Denn zum damaligen antikapitalistischen Konsens an der Uni gehörte zwecks Vermeidung persönlicher Abhängigkeiten zwischen Professor und Sekretärin das Prinzip des Kollektivs, vor allem aber fungierte Stuby als Vertrauensmann jener „realsozialistischen“ Kräfte. Da machten sich bourgeoise Attituden wie der Wunsch nach einer Privatsekretärin natürlich nicht so gut.

Daß Stubys Reise zur SED wegen der Biermann-Ausweisung im November 1976 das Ziel hatte, diese „wieder rückgängig“ zu machen, so Stuby in der taz, wusste er damals sorgfältig zu verbergen: In der Zeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“, dem Theorie-Organ der DKP-Tarnkappen, die damals die Biermann-Ausweisung mit keinem Wort erwähnte, erschien dann in der Nr. 2/77 als Spitzenkommentar Stubys Beitrag „Zum Thema KSZE und Menschenrechte“. Auf knapp sieben Spalten auch hier kein Wort zu Biermann, statt dessen folgende Ausführung: „Der untrennbare Bezug von staatlicher Souveränität und internationalen Menschenrechten muss besonders herausgestellt werden. Er schließt nämlich Gewährleistung der internationalen Menschenrechte unter Umgehung der Souveränität des Staates aus.“ (S.133) Also: Das Menschenrecht des DDR-Staats auf Existenz steht höher als die Menschenrechte der DDR-Menschen.

Dass immer die DKP-SED-Raison für Stuby Priorität hatte, soll ein weiteres, atemberaubendes Beispiel demonstrieren. In der Nr. 9/79 der „Blätter“ finden wir einen Stuby-Aufsatz zum Thema: „Der 'Hitler-Stalin-Pakt' als Ursache des Zweiten Weltkriegs?“ Dass die Titel-Frage nicht nur verneint wird, sondern Stuby diesen Pakt als „einen wichtigen Faktor für den Sieg über den Faschismus“ betrachtet (S.1104) verwundert natürlich nicht. Dass aber ein „fortschrittlicher“ Jurist zur Begründung der sowjetischen Besetzung Ostpolens im September 1939 schreibt: „Nachdem der polnische Staat nicht ohne Verschulden der damaligen polnischen Führung, vor allem aber der Westmächte, unter der faschistischen Aggression zusammengebrochen war, konnte von Respekt vor der Integrität des polnischen Territoriums (...) nicht mehr die Rede sein.“ (S.1103), gehört da schon zu den Raritäten, wird aber noch übertroffen vom schlichten Leugnen jenes „Zusatzprotokolls“, das die Grundlage für diese Besetzung war. Mit Hinweis auf eine obskure französische Darstellung aus dem Jahr 1953 wird die Authentizität des Protokolls als auch im Westen umstritten bezeichnet und dann behauptet: „Die Geschehnisse nach dem 1. September 1939 sprechen gegen eine vorherige Absprache.“ (S. 1102) Zur Zeit der Stuby-Publikation war man selbst in offiziösen Darstellungen in der Sowjetunion und der DDR bereits von der offenen Leugnung zu Stillschweigen übergegangen.

Natürlich war Stuby kein IM. Personen des öffentlichen Lebens mit entsprechend reputierlicher gesellschaftlicher Stellung wurden geradezu abgeschirmt vor der Stasi. Ihre Funktion war die des Einflussagenten, sie hatten unter dem Deckmantel „fortschrittliche Kräfte“ die Ideologie und Politik der SED-DKP zu vertreten. Dafür wurden sie belohnt auch mit Privatsekretärinnen.

Fast zehn Jahre dauerte das Berufsverbotsverfahren gegen Prof. Scheer, knapp ein Jahr dauerte mein eigenes Berufsverbotsverfahren, weil ich für eine Solidaritätsanzeige mit Scheer im Weser Kurier verantwortlich zeichnete. Der „demokratische“ Jurist Stuby, besonders engagiert gegen Berufsverbote, hat keine einzige Resolution für uns unterschrieben. Till Schelz-Brandenburg

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