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Wir wollen missionieren“

■ Geschichtsbewusstsein schaffen, Geld scheffeln? Die Jungle Brothers suchen das HipHop-Erbe in der Big-Beat-Elektronik

Ende der Achtziger bildeten die Jungle Brothers – zusammen mit De La Soul und A Tribe Called Quest – die Speerspitze der „Native Tongues“-Bewegung, einer HipHop-Richtung, die auf die spirituelle Verbundenheit der in der Diaspora lebenden Afro-Amerikaner mit Afrika setzte. Sie waren aber immer auch offen für neue Einflüsse. Bereits 1989 ließen sie ihr Stück „I'll house you“ von dem House-Produzenten Todd Terry remixen. Ihre neue Platte „V.I.P.“ ist nun von Alex Gifford, dem Kopf der Big-Beat-Pioniere Propellerheads, produziert worden.

taz: Was hat euch an Big Beat, einer britischen Spielart von Dance-Musik, gereizt?

Afrika Baby Bam: Diese futuristischen Breakbeats-Sounds sind es, die wir an Drum 'n' Bass und Big Beat zu schätzen gelernt haben. Außerdem hört man diesem ganzen Zeugs immer die Inspiration durch HipHop an. Da sind immer HipHop-Samples drin, da ist immer die Stimme eines Rappers als Sample irgendwo hörbar.

In der Geschichte der Popmusik haben weiße Musiker immer wieder bei „schwarzer“ Musik geklaut, diese in eine kommerziellere Form gebracht und groß abgesahnt. Ist Big Beat – die meisten Big-Beat-Produzenten sind weiß – nicht ein Versuch, „schwarze“ Musik auszubeuten?

Afrika: Nein, auf keinen Fall. Big Beat ist eine Kombination aus Northern Soul, Motown Soul, südkalifornischer Surfmusik mit vor allem HipHop-Breaks und -Beats. Big Beats ist einfach eine andere Interpretation von klassischer HipHop-Kultur – eine Übertragung dieser Kultur, die in den Sixties ihren Ursprung hat, für die Jugend von heute. Ich sehe das nicht als Ausbeutung von „schwarzer“ Musik. Eine Menge elektronischer Musik ist inspiriert von „schwarzer“ Musik, so eben auch Big Beat.

Hier geht es auch um Open-Mindness. Wir sind open-minded genug, dass wir nun einfach die Zielrichtung der Einflüsse umkehren und uns wiederum von Big Beat inspirieren lassen.

Mike G: Wir haben Groove, wir haben Soul, wir haben Drums als zentrales Element, alles genauso Bestandteile von Dance-Musik wie von HipHop. Der Ursprung von all dem ist einfach immer Afrika. Wir sind von unserem Bewusstsein her immer noch „Native Tongues“, die es als Bewegung immer noch gibt, und neuere HipHop-Acts wie Black Star oder Jurassic 5 arbeiten wieder in diesem Geiste. Wir setzen uns immer noch intellektuell mit dem Afrozentrismus auseinander. Das ist einfach die Kultur, aus der wir kommen.

Seht ihr im Big-Beat-Crossover die Zukunft des HipHop?

Mike G: Nein. Wir wollen einfach originell sein. Du kannst das, was wir jetzt machen, von mir aus Elektronik nennen, aber für uns ist es einfach HipHop. Viele denken heute, HipHop hat mit Kurtis Blow oder Run DMC begonnen. Aber als HipHop begonnen hat, da gab es einfach noch gar keine HipHop-Platten, da gab es bloß eine Handvoll DJs, die unterschiedliche Musik zusammengemixt haben, woraus sich dann irgendwann einmal eine HipHop-Kultur entwickelt hat. HipHop hat also eine ewig lange Geschichte, und wir blicken immer noch ständig zurück, um darin neue Details zu entdecken.

Es gab eine Zeit in eurer Karriere, da wart ihr viel unzugänglicher. Heute klingt ihr dagegen ziemlich kommerziell ...

Afrika: Klar, wir haben uns verändert, wir haben heute auch ein ganz anderes Publikum als früher. Die Kids glauben vielleicht, dass HipHop mit Run DMC begonnen hat, weil sie irgendeinen komischen Remix eines Run DMC-Stücks gehört haben, was natürlich Quatsch ist. Aber zumindest entwickeln sie dadurch so etwas wie ein Geschichtsbe-wusstsein. Wir konfrontieren die Kids mit HipHop-Geschichte. Ich mag es nun mal, Leute zu missionieren.  Interview: Andreas Hartmann

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