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Verhaftungswelle gegen Muslimbrüder

■ Statt mit den erwarteten Reformen beginnt Mubarak seine vierte Amtszeit mit einem erneuten Schlag gegen die Islamisten

Kairo (taz) – Die Hoffnung in Ägypten war groß, dass Präsident Husni Mubarak in seiner vierten, gerade angetretenen Amtszeit politische und demokratische Reformen durchführen könnte. Manche Intellektuelle sprachen gar davon, dass die Islamisten, die größte, halblegale Oppositionsgruppe, in das politische System integriert werden könnte.

Doch jetzt sendet Mubarak ganz andere Signale. In der seit vier Jahren größten Verhaftungsaktion gegen moderate Islamisten wurden jetzt 20 führende Muslimbrüder festgenommen. Der Staatsanwalt verhängte erst einmal zwei Wochen Untersuchungshaft. Islamistische Kreise befürchten, die 20 könnten anschließend einem Militärgericht überstellt werden. Laut Staatsanwaltschaft sollen sie am Sturz der Regierung gearbeitet haben, indem sie illegale Treffen abgehalten und die Berufsverbände unterwandert hätten.

Hintergrund dieser Anklage sind die anstehenden Verbandswahlen. Insbesondere im Anwaltsverband könnten die Islamisten die Mehrheit gewinnen. Alle Verhafteten sind in den Berufsverbänden aktiv. Prominentester unter ihnen ist, Muchtar Nouh, Schatzmeister des Anwaltsvereins, ehemaliges Parlamentsmitglied der Muslimbrüder und Mitglied deren höchsten Entscheidungsgremiums. Außerdem wurde auch der Generalsekretär des Ingenieurverbandes sowie führende Mitglieder des Ärzte- und des Veterinärverbandes verhaftet.

Die Berufsverbände galten früher als eine der wenigen Institutionen, in denen die Opposition aktiv arbeiten konnte. Vielen von ihnen waren daher, nach demokratischen Wahlen, von den Islamisten kontrolliert. Deshalb regelte die Regierung vor wenigen Jahren die Arbeit der Verbände neu und stellte sie unter staatliche Aufsicht. Erst letzte Woche hatte jedoch ein ägyptisches Gericht eine derartige staatliche Aufsicht im Anwaltsverein für illegal erklärt und Wahlen angeordnet. Die Muslimbrüder sehen in den Festnahmen einen „Einschüchterungsversuch“, um zu verhindern, dass sie sich erneut zur Wahl stellen.

Die jetzige Episode erinnert an eine Verhaftungswelle vor vier Jahren. Über 80 Muslimbrüder wurden damals von einem Militärgericht zu mehren Jahren Haft verurteilt. Karim El-Gawhary

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