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Die SPD scheut die PDS-Debatte

■  Junge SPD-Funktionäre fordern eine strategische Debatte über die Zusammenarbeit mit der PDS. Doch in einem Strategiepapier von Parteispitze und Ostgenossen wird nur verklausuliert eine Diskussion in Betracht gezogen

Um eine PDS-Debatte kommen SPD und Grüne nicht mehr herum, wenn sie in fünf Jahren die Große Koalition ablösen wollen. Bislang hat die SPD-Führung eine öffentliche PDS-Debatte stets vermieden.

In einem Diskussionspapier für den Kleinen Parteitag der SPD am vergangenen Wochenende schließen führende Genossen eine Regierungszusammenarbeit mit der PDS zwar aus. Doch unter der Überschrift „Strategische Optionen“ heißt es auch, die SPD werde „wohl aber in eine Diskussion über die gesellschaftspolitischen Optionen eintreten“. Im Klartext: Die SPD muss sich der PDS-Debatte stellen. „Vor allem muss die ideologische Tabuisierung der PDS beendet werden. Vielmehr geht es darum, dort, wo nicht hinnehmbare Positionen eingenommen werden, diese zu benennen“, heißt es in dem Papier weiter. Vom Grundsatz her müssten alle im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien zur Zusammenarbeit fähig sein.

Das Papier fasst den Diskussionsstand der Arbeitsgruppe zusammen, die den Kleinen Parteitag der SPD vom Wochenende vorbereitet hatte. Ihr gehörte der stellvertretende Landesvorstand an sowie die Kreisvorsitzenden Gabriele Schöttler (Mitte), Andreas Geisel (Lichtenberg), Christian Gaebler (Wilmersdorf) und der Köpenicker Bürgermeister Klaus Ulbricht. Verabschiedet wurde das Papier nicht, da es nur als Bestandsaufnahme gewertet wurde.

In der SPD sind es bislang allein die jüngeren Genossen, die öffentlich eine Debatte über den künftigen Umgang mit der PDS einfordern. „Unter uns Jungen ist klar, dass es in den nächsten fünf Jahren einen Klärungsbedarf in der PDS-Frage gibt“, sagte gestern der Kreuzberger Kreisvorsitzende Andreas Matthae. Die SPD laufe sonst Gefahr, zur „Gefangenen“ der CDU zu werden. Mit der PDS gebe es durchaus inhaltliche Gemeinsamkeiten, beispielsweise in der Arbeitsmarkt-, der Hochschul- und der Ausländerpolitik.

Christian Gaebler hält es für erforderlich, dass sich die SPD jetzt über ihre Anforderungen an die PDS verständigt: „Es kann nicht sein, dass sich die SPD in den nächsten fünf Jahren nicht mit der PDS-Frage befasst und dann sagt, mit denen machen wir es nicht.“

Die Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit mit der PDS sind in der SPD allerdings nach wie vor groß. Der Pankower Kreisvorsitzende Hans-Peter Seitz beantwortete die Frage nach einer Zusammenarbeit oder Tolerierung mit einem entschiedenen „Nein, absolut nicht!“ Und auch der junge Friedrichshainer Kreischef Frank Lewitz schließt eine Zusammenarbeit mit der PDS in Berlin aus.

Die ablehnende Haltung ist durchaus repräsentativ. Bestimmt sei diese von einem „Bauchgrimmen“ und weniger vom Kopf her, sagt die Marzahner Genossin Kerstin Raschke. Doch die Motive der Ablehnung haben sich verändert. „Es macht keinen Sinn, den Vorwurf zu kultivieren, die PDS sei für die DDR-Vergangenheit verantwortlich“, sagt Seitz. Als Hindernis für eine Zusammenarbeit werden inzwischen vor allem die unrealistischen Politikentwürfe gesehen.

Zum Katalysator für eine neue PDS-Debatte dürfte spätestens die Wahl der Bezirksbürgermeister im nächsten Herbst werden. In den Fusionsbezirken Kreuzberg/Friedrichshain und im Regierungsbezirk Mitte/Tiergarten/Wedding können der SPD-Bürgermeister Hans Nisblé und der grüne Bürgermeister Franz Schulz nur mit Hilfe der PDS gewählt werden. Kaum hatte Schulz in der vergangenen Woche erklärt, er wolle sich mit PDS- Stimmen wählen lassen, musste er heftige Kritik von Parteikollegen einstecken.

Dorothee Winden

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