: Ein wenig Grün im Schrank
■ Die Galerie beim Steinernen Kreuz zeigt Arbeiten des hintergründigen Lust-und-Laune-Malers Thomas Hartmann
Wer Thomas Hartmann mit Fragen nach der Herkunft seiner Sujets, nach Absichten, Vorbildern oder Vergleichbarem kommt, beißt auf Holz. Und auch der Versuch, sich mit dem Künstler über den Prozess der Entstehung seiner Werke zu unterhalten, wird von diesem allenfalls lakonisch gekontert: Inspiriert worden sei er durch nichts Bestimmtes, sondern „durch alles, was mir im Alltag eben so begegnet“, die Entscheidung für bestimmte Maltechniken fälle er allein „nach meiner Lust und Laune“, und die Verwendung eines aus den übrigen Naturtönen hervorstechenden Grellgrüns in einigen seiner Bilder erklärt er mit einem „Egal-Gefühl“: „Das stellt sich immer dann ein, wenn mir gar nichts mehr einfällt – genauso wie man im Leben ja auch manchmal zu einer Extremhandlung Zuflucht nimmt, wenn man nicht mehr weiter weiß. Abgesehen davon hatte ich mir das Grün nun einmal gekauft, und irgendwann musste ich es ja auch einsetzen.“ Alles eben wie im wirklichen Leben, oder?
Und doch hat Thomas Hartmann Bilder gemalt, denen diese pragmatischen Erklärungen auf den ersten Blick so gar nicht gerecht werden wollen. Eine Reihe von Landschaftsbildern aus bunten Wattestäbchen-Punktierungen – die je nach Farbgebung an Wüste, Meer oder Getreidefelder erinnern – erwecken in der Galerie beim Steinernen Kreuz den Eindruck, man sei in einer Impressionismus-Ausstellung gelandet. Doch schon an der gegenüberliegenden Wand wird man in die Postmoderne zurückgeholt: Auswaschungen, Rinnsale und andere Spuren von Wasser auf verschwommenem Hintergrund verraten, dass diese Arbeiten bewusst dem Regen ausgesetzt worden sind. An einer anderen Wand dann wieder konkretere Themen – die jedoch in keinerlei Zusammenhang zueinander zu stehen scheinen: Ein Stillleben mit Blumen hängt neben einem grinsenden, hohlwangigen Totenkopf-Porträt. Gleich darauf wird man durch den Anblick des gefesselten, fast nackten Körpers eines jungen Mädchens schockiert, zwischen dessen Oberschenkeln Blut hervorströmt. Auf einem anderen Bild wiederum überqueren sonnengelbe Bade-Enten mit naivem Blick ein blaues Gewässer.
Der Versuch, Themen und Aussagen der Werke Hartmanns auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, mündet unvermeidbar in verneinenden und klischeehaften Formulierungen: Orientierungslosigkeit. Ortlosigkeit. Reise ohne Ziel. Unbegrenzte Freiheit der Postmoderne – und damit die Abwesenheit verbindlicher Werte, die Sinn stiften könnten.
Mit Titeln wie „Höhere Ordnung“, „Hinter den Dingen“ oder „Kleines Geheimnis“ hat Thomas Hartmann versucht, diese Ausgangssituation zu ignorieren und seine Bilder nachträglich mit einem über das Werk selbst hinausweisenden Sinn zu versehen. Und das, obwohl diese doch eigentlich eine ganz andere Sprache sprechen. Den Arbeiten geht jeglicher Hang zur Metaphysik ab – es sind spielerische Experimente mit Techniken und Malapparaturen, die zum Teil fast noch unabgeschlossen wirken. Am deutlichsten wird diese Tendenz durch die Verwendung von Lasurfarben in den Figurenbildern, die die Eigenfarbe des Untergrundes hindurchschimmern lassen. In andere Bilder wurde die Struktur von Materialien wie Holz oder auch Textilien eingeprägt, indem die Leinwand auf deren Oberfläche gedrückt wurde.
Experimentierlust und die Freude an der Abwesenheit formaler oder inhaltlicher Vorgaben und Einschränkungen sprechen aus dieser gestischen Variationsbreite. Je länger man die Arbeiten betrachtet, desto mehr geraten ihre Sujets in den Hintergrund. Und nach einer „Aussage“ oder einem tieferen Sinn sucht man schließlich auch nicht mehr. Wer sich nicht gerade auf der Suche nach einem Blick „hinter die Dinge“ oder gar nach einer „höheren Ordnung“ befindet, dem kann die Betrachtung der Werke Thomas Hartmanns durchaus Vergnügen bereiten. Mona Clerico
Bis zum 18. Dezember zu sehen. Öffnungszeiten: Di-Fr 10-13 Uhr, 15-18.30 Uhr, Sa 10-14 UhrTel.:
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen