piwik no script img

Betr.: Großdemos bringen Stau und Geld

Kaum hören sie Trillerpfeifen und Sprechchöre, stöhnen die Berliner. Großdemonstrationen mögen sie nicht. Die bringen Stau, Verkehrschaos, überfüllte Busse. Außerdem muss man zu lang vorm Dönergrill warten.

Warum das Genöle? Seit der Love Parade weiß jeder: Besucher bringen Geld in die Stadt. Und das nicht zu knapp. Rund 51 Mark gibt ein Tagesbesucher durchschnittlich in der Stadt aus, hat eine Studie der Wirtschaftsverwaltung ergeben.

Aber Demonstranten kommen in der Regel nicht zum Flanieren. Deshalb greifen sie nicht so tief in die Tasche. „Ich weiß nicht, wieviel Geld unsere Kollegen ausgeben, aber hungern wollen die sicher nicht“, sagte gestern eine ÖTV-Sprecherin. Allerdings würden die Busse ziemlich bald nach Demonstrationsende abfahren. „Die müssen ja am nächsten Tag wieder arbeiten gehen.“ Ein Teil der Demonstranten sei aber auch mit dem Zug gekommen. Da bleibe noch ein bisschen Zeit, um über den berühmten Alexanderplatz zu bummeln.

Der Sprecher des Deutschen Beamtenbundes, Rüdiger von Woikowsky, weiß von Demonstranten, die länger in der Stadt bleiben. Zwischen fünf und zehn Prozent der auswärtigen Beamten hätten die Demo zu einem Kurzbesuch in der Hauptstadt nutzen und hier übernachten wollen. 40.000 Beamte seien am Neptunbrunnen gewesen, lediglich ein Zehntel davon kommt aus Berlin oder dem Land Brandenburg.

Knapp 300 Mark täglich gibt ein Hotelgast durchschnittlich in der Stadt aus. Besucher, die privat unterkommen, lassen nach Angaben der Wirtschaftsverwaltung rund 50 Mark pro Tag in der Stadt. Insgesamt könnten gestern so einige Millionen zusammengekommen sein.

Ein Sprecher der Wirtschaftsverwaltung äußerte sich dennoch skeptisch zur gestrigen Demonstration. Diese habe den Verkehr, insbesondere den Wirtschaftsverkehr, behindert. Die Demonstrationsfreiheit gehöre aber zum Grundverständnis der Demokratie. Das müsse man akzeptieren, auch wenn solche Umzüge einige Unannehmlichkeiten mit sich brächten. Allerdings könne man schon stolz darauf sein, wenn Bilder aus der Hauptstadt überall im Fernsehen seien. „Das ist auch ein Stück Marketing.“

Bernd Buhmann, Sprecher der Berlin Tourismus Marketing GmbH, kritisierte, dass Sightseeing-Busse wegen der Demonstrationen oft im Stau stünden. Ansonsten ist er „über jeden glücklich, der die Stadt bereist“. Und fügt hinzu: „Solange nichts kaputtgeht.“

Vielleicht startet ja der Senat demnächst eine Werbeaktion: Demonstranten aller Bundesländer, Willkommen in der Hauptstadt! Richard Rother

Berichte Seite 1 und 2

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen