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Erinnerungslücken aus Frankfurt ■ Von Susanne Fischer
Möchte noch jemand etwas über die alte, schimmelige, längst zu Ende gegangene Buchmesse hören? Nein? Dann ist's ja gut. Dann kann ich ja loslegen.
Der Verleger Klaus Bittermann, der sich meiner kaum erinnern konnte, obwohl ich doch mindestens ein Buch bei ihm herausgebracht habe (an die genaue Zahl kann ich mich nicht erinnern), Bittermann also heuchelte eitel Freude über meinen Besuch an seinem Verlagsstand und bot an, das inzwischen ebenfalls eingetroffene Ehepaar Rudolf und mich zu einem Glas Champagner einzuladen. Mit großer Geste winkte Herr Bittermann, ihm zu folgen. Ins Separee? Nein, zum Stand des Verlags Klett-Cotta, an dem gerade ein Empfang ausgerichtet wurde. Mit Champagner!
„Schubs die Leute da mal weg, ich will ein Kanapee!“ brüllte ich, denn es war ja schon wieder alles egal. Bittermann trägt aber immer sehr feine Anzüge, in denen er sein wahres Ich verbirgt, und deswegen bekam ich kein Kanapee. Der Champagner war lauwarm und mit den Tränen des Lektors vermischt. „Niemand kommt wegen unserer Bücher, alle kommen nur wegen des Champagners“, weinte er. Ja, der Mann hatte ein Problem. Die in der Zwischenzeit hinzugestoßene Redakteurin Rönneburg und ich aber auch: Wer würde uns nachschenken? „Geh zum Tresen und lächle!“ zischte ich sie an, doch sie meinte, ich müsste schnorren gehen, weil meine Haare röter aussähen (ich war extra beim Friseur gewesen). Unser sinnloses Gespräch endete damit, dass wir beide lächelnd zum Tresen schritten und uns selbst nachschenkten. Der Lektor schrie und schlug seinen Kopf gegen die Wand.
Immer noch nicht klug geworden, folgte ich später einem amerikanischen Verleger zum „Norweger-Empfang“ im Hessischen Hof. Natürlich hatte ich gar keine Einladung, und die „netten Norweger“, von denen Douglas geschwärmt hatte, sahen aus wie Angestellte des Fischer-Verlages. Wahrscheinlich waren sie das auch. Man zeigte sich überrascht, uns zu sehen, bot uns aber anstandslos von der norwegischen Nationalspeise Quiche Lorraine an. Eine Lesung sollte es auch geben, von einem amerikanischen Norweger, wie es schien. Der Wein schmeckte ebenfalls ziemlich norwegisch, und von Douglas' skandinavischen Bekannten war niemand zu entdecken.
Ich floh in eine Schnitzelkneipe, in der ich gemeinsam mit Anna Zim, Michael Ringel und TOM die Beleidigung „Sie dekoriertes Trappistenschnitzel!“ erfand, die uns zu diesem Zeitpunkt äußerst lustig vorkam, noch lustiger als „Vorwärtseinparker“ (das bin ich nämlich selbst). Auch der Umstand, dass TOM für Rüsselsheim live zeichnet, ließ die Heiterkeit in wilden Kaskaden aufrüsseln. Außerdem lernte ich, dass auf Schlachtengemälden der Vorwärtssturm stets von links nach rechts verläuft. Gut zu wissen. Schließlich behauptete die Zeichnerin Anna Zim, dass Zeichner in der Regel doppelt so viel Haut im Gesicht hätten wie Normalsterbliche und diese Gabe nutzten, um das zu Zeichnende beim Zeichnen synchron in ihrem Gesicht darzustellen. Das war noch lustiger als der Empfang des Eichborn-Verlags, auf dem ich nach fünf Minuten von links nach rechts tot umfiel. Und an mehr kann ich mich einfach nicht erinnern.
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